4.5.

Gestern zeigte mir Alfons einen wunderschönen Gegenstand, an dem ich mich gar nicht sattzusehen können glaubte. Ich wollte ihn auch immerzu anfassen. Es handelt sich um einen etwa dreißig Zentimeter langen Behälter aus mundgeblasenem Glas in Form eines Fieberzäpfchens. Darin befindet sich exakt ein Liter Wasser. Der Behälter wurde eigens für diesen Zweck, einen Liter Wasser zu umschließen, angefertigt. Die darin enthaltene Luftblase ist von daher sehr klein, vor allem, das steigert die Attraktivität des Objektes, einer Arbeit von Felix Kiessling, für mich extrem: Es gibt keinen Verschluss, das Wasser und die Luftblase sind nahtlos vom Glas umschlossen. Nur an der vorderen Wölbung des Zäpfchens ist die Narbe vom Abdrehen der Glaspfeife zu erkennen.

Zu dem gläsernen Objekt gehören leider, wie ich sagen muss, noch zwei Dokumente. Auf dem ersten erhält der Käufer des Liters eine Kalkulation, um wieviele Bruchteile eines Meters der Weltwasserspiegel abgesunken sein dürfte, da Felix Kiessling einen Liter Wasser aus dem Landwehrkanal entnommen und in das mundgeblasene Zäpfchen hatte abfüllen lassen. Dazu dann, so Alfons, erhält der Käufer noch ein Gedicht, das der Künstler für eine Frau verfasste, die er geliebt, sie ihn aber nicht.

Das fand ich schlimm. Alfons nicht. Sondern gerade gut: Es bekäme ja nur derjenige zu lesen, der es kauft.

»Gerade das ist doch das Unmoralische, dass er es verkauft«, sagte ich. »Er hatte es doch für sie geschrieben. Er hat es ihr übereignet. Weiß man denn, was sie dazu sagt; weiß sie denn überhaupt, dass er das macht?«

»Das ist mir egal«, sagte Alfons.

»Wie ist das Gedicht denn?«

»Natürlich sehr gut.«