5.11.

Death of a fishmonger.

Dann lange nichts, beziehungsweise die Frage, wieviel an sogenannter Weltwirklichkeit denn in einem Tagebuch enthalten sein sollte. (In der Bildbiografie steht, dass Arno Schmidt seine Frau Alice zum Tagebuchschreiben angeleitet hat. Wunschgemäß leitete sie jeden ihrer Einträge mit Sonnenaufgangszeit, Luftdruck, Temperatur und Windrichtung ein. Auf ihre Frage, was da noch zu stehen habe, gab er die sogenannt »außerordentlichen Vorkommnisse« an. Versehen mit dem schönen Zusatz, dass einem wahrhaft Liebenden alles außerordentlich vorkommen muss.)

Als ich vom Balkon aus nach dem längsten Ast des Kirschbaums angeln wollte, um den Schnecken noch einmal ein paar der schönen pfirsichfarbenen Blätter abzuzupfen, war der bereits nackt und leer.

Würden Schnecken denn tatsächlich schreiben: »You are Schleim beneath my foot«? Fische das Wasser an sich besingen? (DFW ist lange tot.) Und von da aus dann die Frage, ob es überhaupt noch Wind sein dürfte, den poetisch gestimmte Schnecken dann als förderlich empfänden, beziehungsweise: ihre Sohle demnach flügelhaft?

Egal. Es war ein langes Jahr. Megalang – ich würde sogar behaupten, dass die allgemeingültige Zeit für jeden nochmals extra anders vergeht, und von daher, in meinem und deshalb auch in unserem Falle: langsamstens. Von außen betrachtet geradezu genießerisch. Dies aber nur fallweise; an manchen Tagen ging es ruckzuck, dann wieder ganz im Gegenteil. Und eigentlich weiß niemand, den wir wirklich kennen, was in diesem Jahr tatsächlich mit uns beiden geschehen war. Und geschieht! Klar kann man, muss sogar, um seine Haltung zu bewahren, sich mit Schnecken beschäftigen (darf die zu dem Behufe auch zu Hause einsperren bei sich unter Glas), man darf sich auch mit den Vögeln der angrenzenden Landschaft beschäftigen, könnte sogar, was ich bislang unterlassen habe, tunlichst. Aber wer weiß. Nichts ist unmöglich und das Jahr noch immer lang: Würste selbst abfüllen oder Craft Beer brauen. Immerhin war das Jahr ja auch so verdammt lang, dass ich währenddessen nicht nur ein Redakteur bei einer Frauenzeitschrift werden konnte, sondern diese Position (»für besondere Aufgaben«) auch wieder verlieren konnte, und: zwischendurch noch zu Greg Koch wurde für noch wenigere Monate (der immerhin das Craft Beer erfunden zu haben behauptet), was mir sehr viel Freude bereitet hatte, weil ich von Ernie und Bert ja besonders die Episode liebe mit dem Titel Bewusstseinstausch.

Dass man die Nennung von Titeln kursivieren soll, habe ich von Anne, die ganz zu Anfang des megalangen Jahres, ich glaube, es war im Februar oder März, eine eigene Rechtschreibreform für waahr.de sich ausgedacht hatte, und die dann auch derart eigensinnig hatte durchsetzen können, dass sich seitdem jeder dran hält. Einleuchten tut die mir noch immer nicht, aber ich habe ja auch dieses große Glück, dass ich mich darum nicht kümmern musste. Und wie es im Wetterbericht zum Abend gestern so schön hieß: »In der nächsten Woche klopft der Winter an die Tür«.