5.3.2020

Im ICE 5 nach Basel: Bald schon ist Freiburg erreicht. Die Landschaft hat schon diese Hügel mit den breiten Rücken — auf jedem ein Landsitz, so müsste es sein.

Ging gestern, aus einer Laune heraus, ins Museum. Seitdem ich den Jahrespass für alle Häuser besitze, gehe ich auch mal im Vorübergehen hinein. Es dauerte dann eine Weile, bis mir aufgegangen war, was genau dort nicht stimmte; irgendetwas, sagte mir mein Gefühl. Tatsächlich war ich ausschließlich von Frauen umgeben. In der Ausstellung werden unter dem Titel «Fantastic Women» ausschliesslich Kunstwerke weiblicher Künstler gezeigt. Offenbar fühlte sich von diesem Konzept zu dieser Stunde ein ausschliesslich weibliches Publikum angezogen. Die Frauen waren auch alle ungefähr im gleichen Alter. Und stammten, obwohl sie sich in verschiedenen Sprachen unterhielten, aus der gleichen Schicht. Deutsche Töne waren keine zu hören, es muß sich also auf diese Weise zugetragen haben, dass diese Bildungstouristinnen in Bussen aus ihren Heimatorten nach Frankfurt gebracht worden waren, um dort diese für sie interessante Ausstellung zu besuchen.

Auf den Eintrittskarten steht in Großbuchstaben Fan Ticket. Weibliche Kunst als ein Phänomen extremer Zuneigung — zur Kunst, zu den Frauen? Zu beidem, zur Verbindung aus beidem. Zum Phänomen. Die Ausstellung selbst, wie schon bei der über Naturkunst, als eine auf extreme Weise voraussetzungsfrei zugänglich gemachte Wunderkammer angelegt. Mit Betonung auf Kammer. Die Korridore derart schluchtenhaft und eng, dass es oft unmöglich ist, Abstand einzunehmen zu den Bildern. Was beispielsweise bei den Zeichnungen von Unica Zürn schade ist, denn man kann halt einfach nichts erkennen. Bei Louise Bourgeois hingegen, der ein bisschen mehr Raum gegönnt wurde, wohl weil sie nicht bloß sogenannte Flachware abgeliefert hat, stolperten die Foulard-Frauen um mich herum: Monitor vor den Augen, Audioguide im Ohr. Auf Spanisch hört sich selbst die Bitte um Pardon an wie der Name einer Wurst.

Entwich dann wegen eines akuten Schubs meiner Klaustrophobie in den benachbarten Saal, wo die heiteren Skulpturen von Richard Jackson arrangiert waren. Penisnasen, spritzende Enten, im Kreissaal, das heimliche Au Pair: Ob das jemals wiederkommen kann? Wahrscheinlich gibt es eine Bildhauerei, die komplett von Jeff Koons absorbiert, geläutert und erledigt wurde. Zwei Frankfurterinnen machten Portraits voneinander vor den mit Lack verklebten Laken.

Auf dem Heimweg kam ich am Zollamt vorbei, einer Aussenstelle des Museum für Moderne Kunst, wo derzeit eine neue Ausstellung namens «Earthseed» aufgebaut wird. Ein holländischer Fuhrunternehmer ludt palettenweise junge Pflanzen ab. Fallopia aubertii ist ein schnell rankender Knöterich — in seinem Fall darf vom Wuchern gesprochen werden. Nom de guerre «Architektentrost». Im Vorraum der Ausstellungsfläche waren die Rohlinge der Skulpturen aufgestellt, die von der Pflanze überwuchert werden. Ausstellungseröffnung ist in drei Wochen. Für den Architektentrost kein Problem. Blühen (weiß) kann er auch.