5.8.

Mit dem Regenrauschen eingeschlafen und mit dem Regenrauschen aufgewacht. Es hat sich kaum abgekühlt, die Fenster stehen offen und von mir aus kann es auch weiterhin solche Sommer geben, die wie Regenzeiten in anderen Breiten sind. Freilich hätte ich dann gerne auch darauffolgende Winter, die trocken sind, bei 12 bis 14 Grad.

Ich versuche mir vorzustellen, wie all dies vor meinem Fenster bald ausschauen wird – es ist ja durchwegs alles mit Laubbäumen bestanden bis hinüber ans andere Ufer. Erst bunt, dann nackt. Zwar heißt es licht, aber das wird dann vom Schrumpfen der Tageslichtphasen gemindert. Und quelqu’un ma dit que der See vor vier Jahren ein paar Tage lang zugefroren war, sodass man darauf gehen konnte. Vor vier Jahren war ich um jene Zeit auf dem Weg nach New York gewesen, um dort Weihnachten zu feiern. Wurde aber leider am Flughafen von Addis Abeba festgehalten, eines kleinen Visavergehens wegen, das ich unterschätzt hatte. Nun stand ich am 22. Dezember kurz vor Mitternacht ohne Pass da. Der Beamte in der Deutschen Botschaft meinte am Telefon zwar, dass das illegal sei, da mein Pass das Eigentum der Bundesrepublik Deutschland sei, aber dieser Einwand brachte leider nichts. Am Heiligabend stand ich dann mit meinem Reisefreund Richard vor Gericht. Das war in einem Pepsi-Zelt, es war heiß und dunkel und der Richter trug einen Umhang aus ungebügeltem Satin wie in einem Harry-Potter-Film. Ich sollte mich auf Amharisch verteidigen, die Verhandlung wurde auf Amharisch geführt. Richter heißt Fürtebet, aber ich verwechselte in der Folge zwei Worte, die ziemlich ähnlich klangen und alle Zuschauer lachten sich scheps über uns. Dann zahlten wir eine hohe Strafe in bar und das in US-Dollar, die wir illegal kaufen mussten, standen einen ganzen Tag vor dem Einwanderungsministerium an, daneben die schrottige Säule mit dem Sowjetstern oben drauf, und bekamen dann schließlich unsere Pässe wieder.

An Silvester traf ich über Umwege an der Upper Westside ein. Die Party in einer großen Wohnung mit Ausblick auf den Broadway könnte ich heute noch minutiös nacherzählen. Seltsamerweise. Am nächsten Morgen ging ich Bagel kaufen. Die Trottoirs kamen mir so sauber vor. Feuerwerk war ja damals schon verboten, aber es fehlte halt auch der Staub und die Tiere, die ich aus Addis Abeba gewohnt war. Ich weiß noch, das ich das Innenleben eines öffentlichen Mülleimers fotografiert habe, weil da lauter Klarsichtverpackungen von Salaten drin lagen und Klarsichtbecher von Säften und verschiedenfarbige Strohhalme. Das schien mir alles so heiter und ungewohnt shiny und eigentlich schien es mir in dem Augenblick und in der Verfassung, in der ich mich befand: wie Kunst. Und dann wurde es hell, es war der erste Januar 2013 in Manhattan: dieser Himmel, dieses Licht!