6.12.

Geräusche raten im Bett, noch bevor es hell geworden ist: Was die dazugehörigen Menschen wohl machen?

»Krch-ch-ch-kh, krch-h-h-ckh!«, kann ja nicht gerade vieles, aber doch einiges sein. Liegt noch ein bisschen Nachhall drunter (der Nachbar schlägt die Haustür zu wie einen Gong im Buddhistenkloster), wird es eine Schippe sein, wahrscheinlich also von der Baustelle gegenüber das Geräusch, wo – von der Zeit her könnte es hinkommen – ein Bauarbeiter* mit der Schippenrückseite nach oben über den Asphalt schabt, um mit der Schippenkante etwas, vielleicht Dreck, der aus den Stollen des Planierraupenreifens gebrochen dort festgebacken liegt, zu lösen.

Kein oder wenig Nachhall: dementsprechend kleine Schippe. Winzlingsschippe: ein Eiskratzer nämlich zum Windschutzscheibenfreikratzen. Es ist ja so kalt. Gestern, wir waren gerade auf dem Weg zum Weihnachtsmarkt, der ja einer der ältesten in ganz Deutschland sein soll, fing es kurz nach 18 Uhr an zu schneien. Der erste Schnee in diesem Jahr! Sanft und eher tanzend als rieselnd wurden die feuchten Flöckchen im orangefarbenen Licht einer Straßenlaterne sichtbar. Dann kam die Bahn. Als wir inmitten des Weihnachtsmarkt durch den Schacht der Rolltreppe an die Oberfläche befördert wurden, war es mit dem Schneien schon wieder vorbei. Es wird aber wiederkommen. Auch heute morgen riecht es schon danach.

Weihnachtsmarkt ansonsten sehr gut. Insbesondere der historische Kern auf dem Römer auf Höhe des tollen Wandmosaiks, wo ein Riesenvogel die Kreuze aus den Gräbern zieht und gen Himmel schickt. Die Outskirts des Marktes in Richtung Zeil werden stilecht dann zunehmend ghettohaft, aber das ist ja mittlerweile überall so. In Berlin gibt es ja nur einen einzigen erträglichen Weihnachtsmarkt, das ist die gated Weihnachtscommunity auf dem Gendarmenmarkt, wo Eintritt verlangt wird, und sämtliche Geschäfte in auf einem Raster (Methode Mannheim) ausgerichteten orientalischen Schlumpfzelten auf die zahlenden Besucher warten. Da stehen dann original sächsische Glasbläser bereit, um ihr mundgeblasenes Glas zu verkaufen et cetera. Gibt natürlich auch Currywörscht. Im Idiotikon des Berlinischen, das ja unter den Mundarten eine Sonderstellung einnimmt, immerhin!, weil es als ein Soziolekt begriffen werden muss, steht freilich Cürriwourst. Hier hingegen bekam ich gestern am Stand des Eberhardts meine erste Rindswurst**. Ganz was eigenes. Ich bin zwar weiterhin der Meinung, dass die Stuttgarter Rote die (leider) ungekrönte (doppelt leiderdings auch: ungekrönt von den Stuttgartern; man unterschlägt dort einfach ihre Delikatesse, so wie man auch im Feuilleton der Stuttgarter Zeitung, das ja nicht immer schon so belanglos war, traditionell die in Stuttgart schaffenden Schriftsteller unterschlagen hatte; dass man es mittlerweile nicht mehr tut, und sich beispielsweise der Existenz von Anna-Katharina Hahn dann rühmen tut, beweist halt trauriger- und beinahe schon perverserweise, dass es mit der Seriosität der Stuttgarter Zeitung abwärts gegangen ist und geht) Königin unter den Bratwürsten Deutschlands ist (in Frankreich rühme ich die Merguez!); Frankfurter Rindswurst aber ab jetzt auf Platz zwei. Züricher Cervelat auf Platz drei.

Dann lange, lange nichts. Aber dann, ganz wichtig: Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, lieber Peter Handke!

* Es wird übrigens kein Platz, es wird ein Haus!

** Die Detailrankings meines umfassenden Rindsworschttestessens, sowie meine dezidierten Ansichten zur unseligen hiesigen Tradition, den Apfelwein erhitzt auszuschenken, folgen in der Wochenendausgabe Escape from Mainhattan des Tagebuchs 2016—The Year Punk Broke.