6.7.

Durch bloßes Nebeneinandersitzen entsteht ein Gespräch mit zwei Männern aus Kabul und einem aus Südafrika, Kommilitonen, die in Potsdam Public Marketing studieren – ein Studiengang, bei dem es wohl darum geht, wie sie sagen, in Zukunft »Torheiten wie den Brexit zu verhindern«. Right on!

Nach den üblichen Frage nach dem Holocaust und ob es sich bei dem überwachsenen Krater dort drüben um einen Bombentrichter aus dem Zweiten Weltkrieg handelt (ja), stellen sie mir eine Frage, auf die ich von selbst nicht gekommen wäre: Warum denn die Deutschen noch immer an ihrer Sprache festhalten, und nicht endlich auf Englisch umgestellt hätten.

Ich versuche zu erklären, dass Deutsch die Grundlage unserer Kultur bedeutet, dass in Deutschland der Buchdruck erfunden wurde, dass der Buchdruck das Selbststudium der Bibel ermöglicht hat, und dass die in der Bibel erzählten Geschichten zur Verbreitung der christlichen Werte geführt hat, auf denen unsere Gesellschaftsordnung noch immer beruht. Und das zum Glück. Interessanterweise, das fällt mir aber hinterher erst ein, erwähne ich mit keinem Wort die deutsche Dichtung, ich verweise nicht auf unsere Literaten und unsere Literatur. Eine daraus, aus meinem Hinweis auf unsere christlichen Werte entspringende Frage, weshalb sich ausgerechnet das Ungarische und das Finnische ähnlich sind, kann ich mit der Völkerwanderung zumindest zu erklären versuchen. Eine historische Tatsache, die allen dreien bislang unbekannt gewesen war. Ich führe die Ähnlichkeit des italienischen Namen des Brotes (Ciabatta) und eines indischen (Chapati) vor Ohren.

Das kommt bei den Männern aus Afghanistan gut an und führt dann zu längeren Augenblicken der Nachdenklichkeit. Aber um auf ihre Ausgangsfrage zurückzukommen: Ich kann zwar, wie sie festgestellt hatten, flüssig auf Englisch erzählen, aber eben nicht schreiben. Weil es, vielleicht auch nur für mich, einen Unterschied gibt zwischen Reden und Schreiben, der wesentlich ist. Warum, das kann ich, das wird mir dabei bewusst, gar nicht erklären. Mir fehlen nicht die Worte, aber der Vorgang des Schreibens an sich ist wohl unbeschreiblich für mich. Unbegreiflich nicht. Aber es verhält sich so, wie mit meinem Verhältnis zur Zeit: Ich weiß ganz genau, was Zeit ist. Aber erklären kann ich es nicht.