6.8.2019

Auf der Wilmersdorfer Strasse stehen die Demonstranten vor einer demnächst abgewickelten Filiale von «Mc Geiz». Auf den Schildern steht: das Unternehmen werde kaputtgespart. 

Kurios, aber: wann fing das sogenannte Kaputtsparen an? War es Saturn, oder war es Media Markt, die den Slogan hatten «Geiz ist geil»? Ich erinnere heftige, moralisch grundierte Einlassungen im Feuilleton angesichts der Kampagne. Es ist schon so lange her, dass ich gar nicht mehr genau weiss: war das vor, oder war das schon nach der Treuhand? Dass jedermanns Portemonnaie schlagartig sich so dick anfühlte wie ein Sumo? 

Neulich brauchte ich Batterien. Ich war früh dran, der Media Markt hatte noch nicht geöffnet. Aber vor dem Rolltor hatten sich schon einige Männer versammelt. Wir warteten. Ich studierte die dort vor dem Portal ausgehängte Menükarte der Mitarbeiter in Uniform, die uns, den Kunden, bald schon, in wenigen Minuten zur Verfügung stehen würden. Irgendwie beinahe unangenehm, dass die alle Mike hiessen, Roy oder Sandy. Schlimm sind doch einzig die Ressentiments, die stimmen.

Als das Rolltor aufgezogen ward wie früher vielleicht eine Zugbrücke, stürmten die mit mir Wartenden den gleissend ausgeleuchteten Saal, um sich in Zahnarztterminsfrühe bei Speicherkartensparfragen beraten zu lassen, bei Kaffeekapselgraumarktsmarkenwünschen und möglichst flachen Flatscreens und kabellosen Ohrhörern und Handytarifen.

Es hat angefangen damit, dass Shopping zur Beruhigungsbeschäftigung wurde. Selbst dem Bürgermeister von New York City fiel am Tag nach dem Elften September, der bekanntlich ein zwölfter September war, bloss folgendes ein: «Take the day as an opportunity to go shopping, be with your children. Do things. Get out. Don’t feel—don’t feel locked in.»

Es gibt ja, obwohl ich mit Mode-Anekdoten sparen sollte, um literarischer zu wirken, auch noch die damit, mit dem historischen Ereignis verbundene Geschichte der Bulgarischen Bauernbluse: Zeitgleich, nämlich am 11. September, war in den Stores von Yves Saint Laurent, deren Damenlinie damals noch von Tom Ford entworfen wurde, eine schwarze, den bulgarischen Trachten nachgefühlte Bluse ausgeliefert worden. Das war an sich in der Tradition des Hauses keine Neuigkeit, sie war zu Lebzeiten von Yves Saint Laurent (der schliesslich 2008 in Umnachtung verstarb) immer wieder mal angeboten worden, aber die Kundschaft wuchs a) wie ahnungslos nach und b) wurden es, bedingt durch das Internet, auch immer mehr (Kunden). Am Vormittag jenes elften September des Jahres 2001 war es in Manhattan, laut Angestellten in YSL-Boutiquen wohl nachfragemässig so gewesen, dass, trotzdem in Downtown gerade beide Türme rauchten, Uptown die Telefone nicht still stehen wollten, weil diverse Kundinnen sich die besagte Bauernbluse reserviert sehen wollten. Fairerweise tatsächlich aber bloss am Vormittag.