6.9.2020

Alles in allem, im Leben und in der Erinnerung war die Lesung ein Erfolg. Linn meinte, wir sollten einen Podcast starten. Gestern ja, heute weiß ich es schon nicht mehr, Tendenz zum Nein. Aber ich beneide Sebastian um seine Ruhe. In der Ansprache der Buchhändlerin nannte sie ihn fortwährend «Stefan» — Ihm machte das nichts.

Als ich aufgewacht war, schien die Sonne. Ich habe sehr viel Zeit im Apothekergarten verbracht. Und später noch in Eimsbüttel, in Eppendorf, am Hafen, und in Sankt Georg. Meine ehemaligen Wohnorte in Hamburg sind mir näher, sie gehen mir näher, als meine ehemaligen Wohnorte in Berlin.
Alles ist hier voller Aufkleber. Hamburg ist eine politische Stadt. Das war so, als ich Anfang der neunziger Jahre hierher gezogen bin; es ist so geblieben.

In der Hafenstraße stehen heute überall Schwarze, schmatzend, sie wollen Drogen verkaufen, die meisten können überhaupt kein Deutsch. Ich nehme an, sie haben die Hausbesetzer dort in der Gegend ersetzt. Vielleicht sind die mittlerweile gestorben? Einige (Schwarze) wurde sogar etwas wütend, als ich, ohne ihnen etwas abzukaufen, durch die Mitte ging.

Nebenbei empfahl Sebastian mir ein Buch von Jürgen Osterhammel über die Verwandlung der Welt. «Eines dieser gestörten Kondensate», angeblich kann man davon kaum mehr als eine bis zwei Seiten in der Woche zu sich nehmen. Ich nahm das hin, allerdings nur so halbwegs gelaunt, dabei wohl wissend, dass dieses Buch mich die nächsten Monate (mehrere davon) kosten würde, falls.

Habe es freilich sofort, umgehend bestellt (heimlich, unter der Tischplatte eingetippt).

Im Taxi sagte ich «Ist das nicht die Simon-von-Utrecht-Straße?» (Ich sprach all diese Bindestriche mit.)

Und Linn rief empört aus: «Was!»

Der Wagen fuhr uns derweil über die Fruchtallee.

Wie konntest Du bloß! Man muss hier die Fruchtalle kennen und auch, oder ebenso: die Osterstraße. Und man muss sie wiederum beide unterscheiden können von der Weidenallee — sonst gehört man nicht hierher, nach Hamburg.

Als wir ausgestiegen waren, musste ich es sogar aussprechen: wie schön die Hamburger Straßen doch sind. Weil ich es direkt so empfand. Übrigens stimmt es!