7.7.2019

Am Abend fiel mir auf, dass ich den ganzen Tag über nur ein einziges Wort gesprochen hatte. Das kommt bei mir vermutlich öfters mal vor, aber heute war es mir aufgefallen. 

Der Zeitungshändler war im Gespräch mit einem anderen Kunden gewesen, da konnte ich mein Geschäft wortlos abwickeln. Morgen fährt er für drei Wochen in den Urlaub. Ich kenne noch drei andere Geschäfte in seinem Umkreis. 

Am Ufer des Flusses hatten sich die arbeitslosen Männer versammelt, um ihren Hunden Tricks beizubringen. Sie reden andauernd davon, dass sie arbeitslos sind. Und von den Autos, die sich andere, die nicht arbeitslos sind, gekauft haben oder kaufen werden. Audi ist zu teuer. Kia gar nicht mal so schlecht. Mit einem Peugeot oder Citröen aber «kann man sie jagen», weil in den Autos französischer Hersteller die digitalen Anzeigeinstrumente hinter den Lenkrädern derart weit entfernt angebracht sind. «Keine Ahnung, ob das mit dem Körperbau der Franzosen zusammenhängt.»

Am westlichen Ausläufer des Parks hat das Land Österreich ohne jede Kampagne, ohne viel Hinweisschilder einen Kräutergarten anlegen lassen, da wachsen seitdem mehrere Sorten Thymian, Basilikum, Oregano und sogar Liebstöckl. Es gibt reihenweise Tomatenstauden, Gurkengeflechte und scharfe Paprika. Dahinter wurde ein Hügel aufgeschüttet, auf dem, von Bienen, Hummeln und Schwebfliegen umbraust, die verschiedensten Stauden ungefüllter Blüten blühen. Die umstehenden Bänke haben die Einladung, in Österreich Urlaub zu machen, in ihren Rückenlehnen eingebrannt. Dort bin ich gern, und das vorzugsweise am schattigen Vormittag, um mit meinem Taschenmesser Kräuter zu ernten. Bei mir gibt es, seitdem ich den österreichischen Garten in meiner Nachbarschaft entdeckt habe, öfters Omelettes aux fines herbes. 

Im Feuilleton war heute ein okay übersetzter Text von Anne Berest mit dem sie die Unlust ihrer Landsleute beklagt, die deutsche Sprache zu lernen. Sie selbst gehört wohl zu der Generation von Franzosen, die in den neunziger Jahren von ihren Eltern gedrängt worden war, Deutsch als Fremdsprache zu belegen. Temps passé.

Ich könnte ihr aber auch erzählen, dass es unter Deutschen einen grossen und meinem Gefühl nach nur noch stärker werdenden Widerstand gibt, französische Ausdrücke im Fluss der deutschen Sprache akzeptieren zu wollen. Das gilt hierzulande, kurz gesagt, als gespreizt, schwul, oder, tja: etepetete, und ich kann mir auch kaum vorstellen, dass es mit der Wahl Ursula von der Leyens anders werden wird. Ich könnte bezeugen, dass die schöne Eigenheit der sowohl deutschen wie französischen Sprache, die Suche nach dem Gegenstand der Rede im Reden selbst zu dokumentieren, hier in der deutschen Literatur zuletzt bei Hermann Lenz zu finden war. Das amerikanische Englisch ist via (schlecht übersetzter) Serien und Comments unter Posts schon sehr tief eingewandert in die deutsche Umgangssprache. Und es wird (hier in Berlin zumindest) täglich durch die umher wandelnden Kreativtouristen verbreitet wie durch self-wandering-loudspeakers. Begibt man sich in eine Nachbarschaft, in der Tastemaker sich treffen, hört man eintönig Awesome, vielfach like, und: Do you want me to. Es ist der Angriff einer öden Lingua Franca auf unsere literarische Gegenwart. Das wird von Deutschen als zupackend und pointierend empfunden. Letztendlich wohl als befreiend. Weil: Es macht Sinn und man kann damit einfach toll Dialoge wiedergeben. Dialoge vor allem aus den Serien, mit denen man hier seine Freizeit verbringt.

Eine Frau hatte sich mir von der Seite her genähert und sagte «Sie haben ja ein richtiges Messer.»

Und ich sagte «Ja.»