7.9.

Abends standen am Ende des Fußgängertunnels zur Heimatseite vier Polizisten nebeneinander aufgereiht. In schusssicheren Westen, mit Waffen und allem. Für mich sah das so aus, als ob in dem kleinen Hotel gegenüber wieder einmal die AfD tagte, und dass nun in der sogenannten heißen Phase sogar die Unterführung durch Polizisten bewacht würde, um eine Wiederholung der Auseinandersetzung mit der Antifa, wie im Mai und Juni geschehen, zu verhindern. Aber dann löste sich aus der Mitte des Viererriegels ein Kameramann, die Formation fiel auseinander, weil die Einstellung beendet worden war. Es handelte sich um wirkliche Polizisten, keine verkleideten Darsteller. Gedreht wurde ein Werbespot für den Polizeidienst mit dem Slogan »Stark für Dich«. In der Dämmerung, draußen, war ein Cateringzelt aufgebaut. Der Mann am Suppentopf sah aus, als könnte er bei der Antifa mitspielen. Vor dem kleinen Hotel war, wie immer, wenn die AfD dort nicht tagte, nichts los.

In dem Sommer der Riots am Wannsee war an einem Abend auch der uns bislang unbekannte Bruder des hotelbetreibenden Russen aufgetaucht, er nannte sich Boris. Es war sein Geburtstag, er trug eine Flasche mit Schnaps auf einem Holzbrett herum und lud Wildfremde ein, mit ihm ein Glas Wodka zu trinken, der sich jedoch als Nordhäuser Doppelkorn, eisgekühlt, herausschmecken ließ. Von Boris erfuhren wir an diesem späten Abend, da war es noch hell gewesen bis zehn, dass er die Zimmer des Hotels auch stundenweise vermietet, und dass er die Kellnerinnen in seinem Restaurant, das immer leer ist, wenn die AfD dort nicht tagt, ebenfalls stundenweise vermietet. Vorzugsweise im Doppelpack mit einem der Zimmer. Und dazu machte er, das Tablett hierzu auf einen der Tische des kleinen Cafés nebenan abgestellt, eine Pantomime eines sich durch eine gelatinöse Atmosphäre bewegenden Astronauten, der einen mit Wackersteinen beladenen Einkaufswagen mit blockierten Rollen allein durch die mächtigen Stöße seines Beckens vorwärtsschieben muss, ohne dabei den Griff seiner behandschuhten Hände von der Griffleiste des imaginären Einkaufswagen zu lassen.

Seitdem ich nun weiß, was hinter den mit geklöppelten Stores verhängten Fenstern des kleinen Hotels im denkmalgeschützten Ensemble meines Bahnhofs, wie es heißt: vor sich geht, nehme ich den Tunnel. Der übrigens, so gar nicht wannseehaft, eine derart siffige und zwielichtige Atmosphäre hat, dass er den Location-Scouts der Agentur, die mit den Werbespots für die Polizei beauftragt wurde, als noch streetiger erschienen sein musste als beispielsweise der berüchtigte am Kottbusser Tor.