8.11.2019

Die Wohnung mir direkt gegenüber, die der begeisterten Raucher, steht noch immer leer. Die Balkonkästen werden mittlerweile vom Eichhörnchen bewirtschaftet, das einen davon als Stash box benutzt. Ich hatte mir Sorgen gemacht, weil die Hauseigentümergemeinschaft eine Firma beauftragt hatte, im Vorgarten sogenannte Rattenköder auszulegen. Anscheinend aber ist das Eichhörnchen trotz formaler Ähnlichkeiten den Ratten überlegen (hinsichtlich Erkenntnis oder Theorie).

In der Wohnung darunter geht das Licht so gut wie nie aus. Der Bildschirm (komisch, das ich tatsächlich vom männlichen Mieter ausgehen will) zeigt mir das bläuliche Geschehen eines Videospiels. Es handelt sich um etwas Mündungszentriertes, also spielt er vermutlich nicht «Death Stranded», jenes fantasievolle Spiel aus Japan, von dem derzeit so viel und ausgiebig in den Feuilletons zu lesen war.

Meine Eltern schicken mir einen Ausriss der Stuttgarter Zeitung: Viele Chefredakteure von schwäbischen Zeitungen fordern, ganzseitig, eine Wendung weg vom Hass; und von den drei Stunden, die ich gestern mit Mirko in einer tatsächlich von Franzosen betriebenen Épicerie verbracht habe, redeten wir mehr als die Hälfte über Angst. Und (von ihm her): über Auswanderungsfantasien. Kulminierend in: «Du musst ein Buch darüber schreiben!» Damit wäre der Komplex dann in Form gegossen und endgültig erledigt.

Aktivist zu sein bedeutet jetzt, umtriebig zu sein. Sichtbar. Mir ist aber das inwärts Gerichtete sympathisch. Ich glaube, die Menschen sind zum Träumen gemacht. Dort finden sie sich wohl, und die deutlichsten Worte zu einer Verteidigung des Daseins finden sich zuverlässig dort, wo die Träume sind.