8.4.

Die Wanderung zum babylonischen Bier war sehr lang, sie führte ja bis an den Fluss namens Dahme im Südosten der Stadt. Bis dahin war ich stundenlang unterwegs und dieser Weg führte vor allem an Wohnhäusern entlang. Das ist, selbst nach Einbruch der Dunkelheit, kein besonders abwechslungsreicher Wanderweg. Hier und da sah ich zusammengedrängt ein Pärchen sitzen, die Laptops leuchtend im Schoß jeweils, auf den Stufen vor einem Backshop, der geschlossen hatte (das WLAN bleibt nach Ladenschluss an). Ansonsten nur wenige Menschen, wenn, dann in Autos. Die Stimmung war Industriegebiet.

Im New Yorker hat Bianca Bosker einen Text geschrieben über die geruchliche Verwüstung ihrer Stadt, sie erzählt von einem Teil, den sie zufällig entdeckt hatte, der schon nach gar nichts mehr riecht. Sie zählt die Summen auf, die von der Stadt New York in neue Müllkippen investiert wurden, es sind Hunderte Millionen. Ich weiß gar nicht, wo in Berlin die Müllkippen sind. Die müssen ja auch ganz schön groß sein. Die Müllabfuhr hier funktioniert tadellos. Es liegt nie irgendwo etwas herum. Das war einmal anders. In New York allerdings auch.

Die Dahme ist unspektakulär. Im Dunkeln vor allem nicht von der Spree zu unterscheiden, mit der sie, so wird die Lage Köpenicks auch definiert: hier zusammenfließt. Auch das Gebäude, in dem das babylonische Bier ausgeschenkt werden sollte, sah jetzt nicht einmal so ähnlich aus, wie ich es mir vorgestellt hatte (wie einen Sandberg oder wie einen Tempel). In anderen Städten wäre es eine Bushaltestelle. Erstaunlich aber dann doch, dass darin nicht nur die Gäste Platz fanden, sondern das Bier auch gebraut wurde. Der Braumeister selbst war allerdings nicht da. Aber die Legende, wonach er im diplomatischen Dienst der DDR tätig gewesen sein soll, und im Zuge dessen, während er in Österreich stationiert war, das Handwerk des Bierbrauens erlernt haben soll, diese Geschichte wurde mir auch hier erzählt. Wobei meiner Recherche zufolge es sich um einen Anlagenbauer handelte, der in den siebziger Jahren in einer Patentschrift als Mitinhaber eingetragen wurde (da ging es um Reaktorbau). Und diese Version erschien mir angesichts der vertikal in den engen Gastraum eingebauten Brauapparatur auch sozusagen nahestehender.

Das babylonische Bier hingegen: ganz interessant. Mich erinnerte es an das Weltenburger Barock. Auch ein altes Bier, gewiss, aber gegen das babylonische chancenlos, weil dessen Rezept aus der Keilschrift übersetzt wurde und mindestens 1500 Jahre alt war. Ich fragte mich schon, weshalb ausgerechnet hier, wo Dahme und Spree zusammenfließen, etwa drei Stunden Wanderung von der Innenstadt entfernt in einer ehemaligen Bushaltestelle, ein Bier nach einem aus der Keilschrift übersetzten Rezept ausgeschenkt wurde. Ich war ja auch der einzige, der eigens deswegen angereist war. Die übrigen Gäste waren aus der Nachbarschaft gekommen. Für die war das ganz normal.