9.8.

Als wir nach drei herrlichen Tagen im Strohgäu nach Frankfurt zurückkamen, war dort die partielle Mondfinsternis wie angekündigt zu sehen und zwar dergestalt, dass der Mond in riesiger Vergrößerung und dazu in sattem Goldgelb knapp über den Dächern Sachsenhausens stand. Die partielle Verdunkelung, ein Streifen des Erdschattens, ließ sich am unteren Rand vielleicht erahnen; der lichte Teil überwältigte doch.

Auf der Untermainbrücke, die von dem Uferabschnitt, der Nizza genannt wird, zum Schaumainkai hinüberführt, hatten sich die Frankfurter zu Hunderten eingefunden, so wie auch am Ufer, das mittlerweile im Dunkeln lag. Ein mit bunten Glühbirnen beleuchtetes Riesenrad drehte sich, dahinter der Kaiserdom – selbst in der Dunkelheit war es für uns deutlich, dass der Bau aus Sandstein bestand. Wie das Kloster Hirsau im Schwarzwald. Durch die Tage im Schwäbischen waren wir für dieses dort überreich vorkommende Material sensibilisiert worden. Es hatte sich ein neuer Rezeptor herausgebildet, ein Sandsteinspürsinn. Und so, wie wir dort auf hier und da aus den Steilhängen herauswachsende Sandsteinadern gedeutet hatten, wie wir das Vorkommen des mal rosenfarbenen, mal gelblich gestromten Materials an den Fassaden der Häuser, in Form von Fensterstürzen und Simsen registriert hatten, fühlten wir uns auch im nächsten Kulturraum darauf geeicht, die Umwelt nach Sandsteinvorkommen abzusuchen. Vielleicht war dies aber auch eine Funktion des aufgefrischten Heimatbewusstseins.

Möglich auch, dass es der seelische Nachklang der herrlichen Tage war, bestimmt tat auch der gelbe Riesenmond sein gewisses Etwas dazu, jedenfalls erschien mir das Feuerwerk als das prächtigste, das ich jemals gesehen hatte. Auch von seiner Dramaturgie her, die, in drei Akte geteilt, ungestüm war und tatsächlich unvorhersehbar. Der letzte Akt wirkte sogar zufällig, wie ein Naturereignis, so als ob da ein Wiedergänger von Hrundi V. Bakshi sich versehentlich auf die falschen Knöpfe zur falschen Zeit gesetzt hätte, um sämtliche noch verbliebenen Ladungen in einem wilden Durcheinander zu zünden. Im Mittelteil aber entstanden auf dem schwarzen Untergrund goldene Strukturen, die ich vor mir nicht anders bezeichnen konnte als Blumen, die aufblühten. Es regnete und bogen sich Schwälle aus goldenen Sternen bis auf das tiefdunkle Wasser des Mains hinab.

Überwältigung. Applaus. Nur kurz war der Gedanke präsent, dass hier ein Lastwagenfahrender, der in die Applaudierenden auf der Brücke rasen wollte, Verheerendes anrichten könnte. Seltsam, dass man mittlerweile so denken kann. Als Kind hatte ich mich beim alljährlichen Feuerwerk auf dem Killesberg vor dem Krachen der Donnerschläge gefürchtet. Die gab es in Frankfurt heuer auch, aber der Donnerschreck wurde mittlerweile vom Massenschreck auf Platz zwei herabgestuft.