9.8.2020

Als die Reifen unseres Gefährtes, irgendein Ford, die ersten Meter Autobahn befahren hatten, kamen wir beide zugleich in den Genuss eines längst vermissten Wohlgefühls: der Freude am Fahren. Zum Teil gewiss davon erzeugt, dass damit die Erinnerung an Ferienfahrten mit der Familie wachgerufen wurden; doch war da sicherlich auch ein Gefühl von weiter her, eine kollektiv erzeugtes Wohlgefühl vom Fahren auf der Autobahn.
Auch erlebt man dabei stets sehenden Auges viel und anderes und bleibt doch die ganze Zeit über bei sich. Urplötzlich platterte beispielsweise einmal der Regen auf unsere Windschutzscheibe. Aus heiterem Himmel. Wenige Augenblicke danach, war alles wie von der magischen Tafel fort gewischt.
Als wir die unsichtbare Grenze zur Zone überquert hatten, tauchte bald ein Tunnel auf, der «Tunnel der Wiedervereinigung». Er war ziemlich lang, wir fuhren darin etwa zwei Minuten lang, auf der anderen Seite war das Tageslicht merklich verändert — grau, dabei hell, irgendwie eintönig. Die Landschaft wirkte viel weniger sommerlich in diesem Licht. Wir beschlossen, im nächsten Dorf kehrt zu machen. Das war am Fuß eines Hügels, auf dem eine riesige Skulptur aus Naturstein mit dem Titel «Tor zur Freiheit» in den farblosen Himmel ragte. Noch einmal fuhren wir durch den Tunnel der Wiedervereinigung, aber dieses Mal wieder zurück in den Westen. Nach weiteren zwei Minuten fuhren wir dort ein ins strahlende, sommerlich blühende Licht über den Kasseler Auen. Aber es nutzte ja nichts, wir wurden auf der anderen Seite erwartet.