AM G-PUNKT DER JEMÜTLICHKEIT
Anders grau, gelblich, anders feucht auch, fauchend: gleich auf dem Bahnsteig unter den düsenhaft die Kaltluft hereinleitenden Glasröhren zu Berlin umfing mich das Wetter, das, laut Olafur Eliasson, dem Isländer, die Natur des Großstädters ist. Bin ich demnach nicht, ich empfinde ungemütliches Wetter als unnatürlich. Es soll sich verziehen. Woandershin. Zurück in seine Dose, nach Sibirien.
Fuhr mit einem unterdrückten Schrei noch weiter in mich zusammen, als vor mir eine Don‘t-Look-Now-hafte Gestalt erschienen war in einer bodenlangen Kutte aus ultramarinefarbenem Material mit goldenen Knöpfen. In dem dunklen Loch der Kapuze machte ich vor allem einen waagerecht rasierten Balken aus. Es handelte sich demnach um Frédéric Schwilden, der, dergestalt vermummt zu einem Seniorennachmittag der CDU nach Magdeburg geschickt ward, um dort Jens Spahn auf die Nerven zu gehen. Während der kurzen Fahrt im Regionalexpress—es gibt ja, zeichenhafterweise keine normale Zugverbindung nach Magdeburg—erzählte er mir die von ihm sogenannten Schwänke aus seinem Leben als Chefreporter Politik, da ging es vor allem um Harald Glööckler natürlich, und wie der wohnt, seitdem er sich sämtliche Zähne hat entfernen lassen, um sie durch Implantate aus Panzerglas zu ersetzen.
Das Mosaik von Christoph Niemann wurde während meine Abwesenheit eingeweiht. Darauf weist jetzt ein in das Mosaik mit hineingefliestes Schild hin, das von seinen Proportionen her—noch—ungeschlacht wirkt; von seinem Informationsgehalte her freilich nicht: Das Werk wurde »kuratiert von Ruth Ur.« Schicker Name. War mir auch noch gar nicht klar gewesen, dass man auch einzig einzelne Werke kuratieren kann. En attendant les sprayeurs.
Daheim dann eine Art Naturwunder: die Geranien haben zur zweiten Blüte angesetzt. Rot im kalten Grauen.