Apfelbaum und Tanne

Bei -7 Grad malt der Morgen mit den schönsten Farben. Lichtblau oben, lichtblau unten auf dem Wasser bis an das taube Grün des Rasens. Magisch, wenn dann am großen Haus auf der gegenüber liegenden Seite sämtliche Fensterscheiben den Glanz der roten Sonne reflektieren. Im Spiegelbild zeigt der See allein die Fenster, es schaut aus, als ob es hinter ihnen brenne. Also unter Wasser eigentlich. Und am Ufer treiben, dünn wie Folien, die ersten Schollen.

Den Vögeln geht es gut. Heute steht im republikanischen Kalender der Tag zur Feier der Hippe. Ein in Vergessenheit geratenes Gerät. Um drei Uhr hatte mich Friederike angerufen, um mir von ihrem Albtraum zu erzählen, danach konnte ich lange micht mehr einschlafen. Nicht des Anrufes wegen, sondern weil mir gleich darauf bei meinem Einschlafen aufgefallen war, dass es bei meinem Traumgeschehen, so wie es sich anließ, nun ebenfalls auf einen Albtraum hinauslaufen würde. Weswegen ich beides abzubrechen beschloss: Träumen und Schlaf.

Im Wikipedia-Eintrag zur Hippe, mancherorts auch Häsle genannt, stieß ich auf die bemerkenswerte Anzahl von Stadtwappen, in denen dieses Werkzeug abgebildet ist. Also identitär. Urwüchsige Hippe, warum hat man dich bloß zur Seite gelegt? (Die Machete hat ja immerhin, durch aus die Machete noch wertschätzenden Kulturen nach Deutschland eingewanderten Frauen und Männer, eine gewisse Renaissance hierzulande erfahren dürfen dergestallt, dass sie in Waffenläden neben Paintball und Nerfgeschossen und Butterflymessern und Reizgasspraydosen, Tazern und Compoundbögen und Armbrüsten angeboten wird für Kunden ab 18 Jahren; man sieht die Machete folglich auch in Videoclips, zum Beispiel in 069 von Haftbefehl.) Und ich frage mich auch, ob das Fragezeichen unserer lateinischen Schrift nicht nach dem Vorbild der Hippe gestaltet wurde. Von seiner Geformtheit her.

Die Hippe ist derart ultra-urwüchsig, dass es noch nicht einmal bei Manufactum gibt. Hail the Hippe! Da der Morgen noch jung war, vor allem auch dunkel (ein dunkler Bursch!), surfte ich noch auf die Seite des letzten Herstellers von Hippen in Baden-Württemberg, der Werkzeugschmiede Adler in Waghäusel bei Phillipsburg – literarisches Terrain. Alles dort: Logo der seit dem Jahr 1919 fortbestehenden Schmiede von landwirtschaftlichem und Forstgerät, die Gestaltung der Website selbst, die T-Shirts der Schmiedearbeiter, aber halt vor allem die dort bei Adler geschmiedeten Hippen, Äxte und Beile selbst: einfach bloß mega!

War in letzter Zeit ein gewisser Trend zum urban Beil festzustellen, Taschenmesser von Opinel gehören ja längst zum sogenannten guten Ton, werde ich in diesem Sommer nie ohne mein Häsle anzutreffen sein.