BIG YELLOW TAXI

In der Frühe führte mein Weg mich am Innenministerium vorbei. Dort kniete, anders als sonst, ein Mann vor dem an der Außenfassade angebrachten Bundesadler. Der übliche Schriftzug indes fehlte. War abmontiert worden. Mit einer Bohrmaschine setzte der Arbeiter zusätzliche Löcher in den hellen Stein. Auf einem Stück Waschfilz lag unsortiert eine große Menge lateinischer Schriftzeichen aus Bronze. Sogar ein Komma war dabei, und als ich am Abend, inzwischen war die Außentemperatur um 10 Grad auf 34 angestiegen, war der Schriftzug befestigt: BUNDESMINISTERIUM DES INNERN, FÜR BAU UND HEIMAT. Dazu wurden freilich zwei Zeilen gebraucht, die dem Bundesadler aus der linken Schwinge streben wie Strahlen. Das Redesign ist im Inneren des Innenministeriums nicht machbar, da der über dem Portal des zweckhaft gehaltenen Gebäudes eingravierte Schriftzug auch über die Legislaturperiode hinaus ein als BUNDESMINISTERIUM DES INNERN vorsieht. Wobei: wer weiß, womöglich sehe ich dort in der nächsten Woche einen Steinmetz am Werk?

Bei den Temperaturen erschallt aus dem benachbarten Gefängnis, der Justizvollzugsanstalt von Moabit ein jammervolles Lied, es kommt aus den Kehlen der dort Eingesperrten, die hinter ihren Gittern zu ihren vor der hohen Mauer ausharrenden Angehörigen singen. Man kann es ihnen nicht verbieten.

Nach dem Innenministerium mit dem neuen Namen, in dessen aufwendig umzäunten Park seit neuestem ein Bienenhaus steht, kommt das Restaurant Paris Moskau, ein Relikt des alten Berlins, das in einem mittlerweile auch relikthaft wirkenden Fachwerkhäuschen residiert. Momentan aber Betriebsferien hat. Und dann kommt auch schon der Biergarten gegenüber des Kanzleramtes gelegen. Auch dort sind Betriebsferien angesetzt. Nicht aber im Biergarten, der vor allem bei Touristen aus den Vereinigten Staaten beliebt ist, die hier ihre Sitten zur Schau tragen. Eine Dame in Begleitung kam aber schlecht mit den Wespen zurecht. Sie schrie panisch und verlangte ihren »fucking pig’s knuckle« ungestört essen zu dürfen. Kein Problem für ihren Mann, ich denke mal sie waren aus Oregon, der seinen Vaporizer auspackte, den auf die höchste Stufe gestellt einsetzte dergestalt, dass er ihr ausladende Dampfwolken über die Haxe blies, um so die Insekten zu verleiden. Selbst in die Maßkrüge setzte er seinen vom Nikotin geschwängerten Dampf. Gar nicht auszudenken, zu was dieser Mann fähig wäre, wenn seine Frau sich, sagen wir mal: vor der Belaubung der Kastanien fürchten müßte. Andererseits kam so etwas Disko-Stimmung auf im Biergarten gegenüber des Kanzleramtes. Bei frühabendlichem Sonnenschein.

Dietmar Dath schrieb gestern in der Zeitung innerhalb einer Rezension eines Horrorfilmes, der nur verstreut in die Kinos kommen wird, er hätte dem Streifen »mehr Kinodunkel« gewünscht.

So in der Art.