CADY NOLAND, SUPERSTAR

Vergeblich, mein Besuch der Kleinmarkthalle, wo am Mittwoch im Parterre ein Mainfischer seine Praxis öffnet. Ich fragte nach Trüschen, die im Hessischen natürlich Quappen heißen, weil ich Friederike mit dem einzigen Fischgericht der Schwäbischen Küche, den Trüschenleberle bewirten wollte. Er kannte den fraglichen Fisch unter beiden Namen. Doch obwohl, weil beinahe ausgestorben, die Trüsche in den vergangenen Jahren erfolgreich wieder angesiedelt werden konnte im Strom der Nidda, gibt es für die Quappe oder Trüsche bislang noch nicht genügend Abnehmer, um mit seiner Leber lohnend handeln zu können. Er hat ein gefliestes Lebendbecken dort unten in seinem kühlen Kellerraum. Packt auf Verlangen die darin herumscharwenzelnden Fische, Saiblinge vermutlich (ich vergaß, ihn danach zu fragen; sie hatten Punkte,) und steckt sie kopfüber in einen mit demselben Wasser, aus dem sie gerupft, gefüllten Wasser und erledigt ihren Fall mit einem Stromstoß aus einer weiß lackierten Gabel—seltsam, dass einem da der Fischtod wie es heißt human vorkommen will, gleichsam zum Mercy Seat, bloß dass halt die Fische nichts zu sagen haben. Und dass es vor allem dabei nicht qualmt aus dem Kopf des Fisches, während er innerlich gekocht wird bei seinem Unterwassertod.

Sodann, die Hasengasse hinab, betrat ich das Museum für Moderne Kunst in seinem kuchenstückförmigen Gebäude (aus Vogelperspektive betrachtet) am Rande der neuen Altstadt. Die Ausstellung der Skulpturen Cady Nolands ist über drei Etagen aufwärts arrangiert. Und mit jedem Stockwerk dort wird es eindringlicher. Der Besucher bekommt es dabei beigebracht, worum es hier geht. Wobei es sich tatsächlich unfassbarerweise um Werke handelt, die in den achtziger Jahren entstanden sind. Das läßt sich allein von den winzigen Schildern an den Wänden ablesen. Den Kunstwerken an sich sieht man es nicht an. Das hat mit unserem veränderten Verhältnis zu Amerika zu tun. Allein deren Flagge, einst ein beliebter Aufnäher auf Jeansjacken hierzulande, löst heute ein diffuses Unbehagen aus dergestalt, dass man die Farben und deren Muster nicht mehr als Popkultur wahrnehmen kann, sondern als Warnsignal.

Zur Verwendung kamen vor allem Materialien aus dem Baustoffhandel, Stangen und Schellen aus Aluminium. Es sind, alles ist über dreißig Jahre alt, deshalb keine Alterungsspuren festzustellen. Selbst die geleerten Bierdosen wirken wie gestern gekauft. Man wandelt durch ein blankgeputztes Gerippe einer Zeit. Und weil es alles derart blank, neutral und abstrakt gehalten ist, wallt der Gedanke an Blut und Gewalt und Mercy auch so gewaltig auf. Wie bei den Waterboys und ihrem skelettierten Stück Trumpets, das ja eben nicht von Trompeten untermalt wird, sondern von einem frei flottierenden Saxophon, weshalb ich beim Hören dann umso intensiver über Trompetenklänge nachdenken kann. Das fällt vor allem auf in einem der oberen Räume, wo eins dieser Horrorgestelle mit einem Schaukasten von Joseph Beuys kombiniert wird, in dem es, laut Schild, um die Direkte Demokratie geht, und in den Kästen aus verglastem Wannenblech Tauziehtaue und Boxhandschuhe mit einem schimmligen Zahnschutz der Boxer ausgestellt werden. Das wirkt antik. Die aus Aluminium gegossenen Pranger von Cady Noland, ihre Zäune, Käfige und Folterutensilien dagegen: taufrisch, immernoch einsatzbereit.

Eine Insel, auschließlich für diese Ausstellung vorgesehen, wäre der ideale Ort, um diese erstaunlich schreckliche Kunst zur optimalen Wirkung zu verhelfen. Das MMK in Frankfurt, mit seinen Jil-Sanderhaften Räumen, in denen man immer wieder von aparten Söllern aus einen Überblick sich verschaffen kann über die darunter im Licht gelegenen Flächen, ist aber beinahe ideal. Auch weil die zahlreichen Museumsaufseher hier in hübschen Uniformkitteln in Marineblau mit dem weißen Rückenaufdruck »Museum« ausgestattet sind.

Halt einfach auch ein perfekter Name: Cady Noland.