IN DER KÜNSTLERKOLONIE ZUM BLAUEN HASEN

Sonntag in der Früh, auf dem Feldberg lag schon Schnee, und im Hessischen Rundfunk wurden uns »eisige Genüsse« versprochen, nahmen wir die Bahn hinaus nach Preungesheim zum Künstlerbedarfshandel, der, als Künstler kennt man keinen Ruhetag, ganz natürlich auch am Siebten Tag des Wochenlaufs geöffnet hat. Ein, hat man die visuelle Durststrecke der Gießener Landstraße gottlob vorbeifahrenderweise erst hinter sich gebracht, selbst im Klammen durchaus anheimelnde Vorort—die Schwemmländer der Taunusvorebene haben meiner Phantasie zumindest einen Spielraum zu bieten, wo sich nackte Gerippe einst mild belaubter Sträucher jetzt im Wrast wie festzuklammern scheinen, um die milchfarbene Decke sich über die dürren Zehen zieh‘n zu dürfen »nur noch ein Stündle!«

Auf dem Parkdeck eines Supermarktes stand der Wurstwaggon eines Halal-zertifizierten Imbißmannes, dessen nicht gerade ausladendes Menü unter den obligatorischen Kebap-Speisen auch eine Rubrik Rund um die Bratwurst anzubieten hatte. Dies freilich auf die hessentypische Rindswurst, per se beinahe Halal, eingekreist. Interessant, wenngleich auch ortstypisch, dass ein und derselbe Entrepreneur zugleich und in ähnlicher Aufmachung dort auch ein Menü hingeklebt hatte, um für seinen zweiten Geschäftsbereich, jetzt als Immobilienmakler, zu werben. Dort wiederholte sich der Slogan in roten Blockbuchstaben »WIR VERMIETEN AUCH! SPRECHEN SIE UNS AN

»Eine Rindswurst, bitte, mit Senf und Fritten. Und eine Wohnung, hier im Viertel.«

»Macht eintausendzweihunderteinundzwanzig Euro achtzig im Monat. Beides kalt, mehr oder minder.«

»Dankeschön.«

Ich hatte meine Inspiration aus der Zeitung empfangen. Dort hatte es ein Bild gegeben, in dem der Präsident der Vereinigten Staaten während seines Lokalaugenscheins einer Brandstätte in einer Art Wald, umgeben von Zivilistionsschrott sich mit einem Vertrauten beriet. Von der Körperhaltung her brütend. Die Aschehaltigkeit der Luft hatte die Farbfotographie auf Schwarzweißkontraste reduziert. Ideal, meiner Inspiration zufolge, für eine Verewigung im Linolschnittverfahren. Dazu stand schon der Titel fest: Donald Trump in Paradise.

Im Künstlerbedarfshandel halfen uns dann die dort rings um die Uhr auf 400 Euro-Basis beschäftigten Studenten der Städelschule mit der ihnen beigebrachten Fachkenntnis, unseren Wagen zu füllen. Daheim dann schnitten wir inspiriert in die uns stapelweis‘ verkauften Linolkarten. Es war wie beim Zehennägelschneiden. Man fegt das nonchalant vom aus Sveta Petka mitgebrachten Tischtuche—ist schließlich Künstler. Nach vollbrachtem Werk dann tatsächlich die von den Altvorderen unermüdlich berichtete Befriedigung. Sie stellt sich ein. Es tut wirklich gut, etwas mit den eigenen Händen zu schaffen. Ein Raphaël ohne Hände—will ich nicht sein.