DER LEIDENSCHAFTLICHE GÄRTNER

Es ist so heiß, dass die Reiher zu Fuß über den Steg in den Garten kommen, um sich flamingohaft in den Baumschatten zu stellen. Eine Waschmaschinenladung trocknet während einer Stunde an der Luft (nach Sonnenuntergang). Ich bin früh aufgestanden, um den Rasensprenger anzudrehen. Lino ist für zwei Wochen nach Portugal geflogen und ich darf all seine Ämter übernehmen. Der Bewässerungsvorgang dauert stundenlang, da kann ich meinen Hal-Ashby-Phantasien nachgehen. Ich finde es extrem befriedigend zu gießen. Mähen hingegen würde ich nur ungern wollen. Von daher ist ein auschließlich gießender Gärtner mein Traumjob. Vor allem auch weil man nebenher noch ausreichend Zeit zur Verfügung hat, um, beispielsweise, zu schreiben. Lino schreibt allerdings nicht, er schaut gerne Fußball. Wie der Gärtner bei Hal Ashby.

Wie Lino mir erzählte, arbeitet er seit seinem zwölften Lebensjahr. Ganz einfach aus dem Grund, weil er neun Geschwister hat und die weiterführende Schule in Portugal zu jener Zeit gebührenpflichtig war. Sein erste Tätigkeit war Autoreifen aufpumpen. Er hat eine abgewinkelte Zeigefingerspitze an der rechten Hand, weil ihm am ersten Arbeitstag ein Bedienungsfehler am pneumatischen Wagenheber passiert war und die Karosse anstatt wie befohlen in die Höhe gepumpt zu werden, auf seinen Zeigefinger abgesetzt ward. Da aufgrund einer Kette von Missverständnissen der Notarzt nicht eintraf, befreite sich der junge Lino selbst aus der Klemme, indem er seinen Finger herausriss. Auch Krankenhausaufenthalte waren gebührenpflichtig. Direkt erholsam war dagegen der mehrjährige Militärdienst, den Lino als Soldat auf der Schokoladeninsel São Tomé absolvieren konnte, weil Portugal damals noch Reste eines Kolonialreiches unterhielt. Einer seiner Brüder hingegen wurde nach Angola kommandiert und dort war es wohl fürchterlich. Auf der Schokoladeninsel wurde Lino mit der Verwaltung der Waffenkammer beschäftigt. Wo es einerseits ruhig zuging, aber gleichzeitig auch Ordnungliebe gefordert war und die ist auch heute noch (zwischendurch war er lange Zeit Koch, unter anderem für den Prinz von Norwegen, der seine Stockfischkroketten mit Genuss verspeiste) gefragt, denn ohne Ordnungliebe kann man nicht nur schlecht, sondern überhaupt gar nicht Gärtner sein. Oder wie Rudolf Borchardt über den im Greisenalter vom Kriegsherr zum Gärtner von Split gewandelten Kaiser Diokletian schreibt: »Draußen war nur wilde Welt.«

Donnerstag soll es ein Gewitter geben. Dann habe ich frei.