EUMOLPIAS FILIPPOPOLIS THRIMONZIUM PLUNDIV FILIBE PLOVDIV

Muss sich diese Stadt, die für das kommende Jahr zur Kulturhauptstadt Europas gewählt wurde, denn eigens zu diesem Anlass herausputzen? Wir finden: nein. Grün wie Sofia, dabei aber straßenweise mit Obstbäumen bestanden, die gegenwärtig zum Backen von knusprigen Mirabellenkuchen, zum Einkochen von Marmeladen oder Kompotts aus Maulbeeren, Mispeln und diversen Sorten von Kirschen einladen, dazu eine wie das Volk der Bulgaren selbst aus verschiedenen Einflüssen zusammengeführte Architektur, die teils noch römische Ruinen zeigt, zwischen barocken Fassaden, dann wieder Renaissance, Wienerisch anmutender Jugendstil, bloß halt ohne die florale Ornamentik, sowie zeitgenössisch Verspiegeltes und immer mal wieder dazwischen die schlecht gealterten Reste der Zweck- und Prachtbauten (die also auch bloß zweckdienlich gemeint waren), der 1989 zum Ende gebrachten Diktatur. 

Weil Plovdiv vor über 8000 Jahren am Ufer der breit und träge fließenden Maritza errichtet wurde, segeln noch heute die Möwen über den Dächern der Innenstadt. Sie sind zu erstaunlich unterschiedlichen Lautäußerungen im Stande. Vom scheinbar panischen »Oh! Oh!« und einem trötenden Klagelaut, als würde eine Gans mit dem Trichter gemästet, bis zum, so scheint es uns: höhnischen Gelächter – und dies übrigens, vielleicht ja zum ehrenden Andenken Fitzgeralds: sogar im Dunkeln. Selbst nachts fliegen die Möwen durch das schlafende Plovdiv. Wenn zuvor aber die Sonne untergeht, sitzt man am Besten auf jenem Hügel inmitten des ältesten Teils der Altstadt am Boulevard Septemvri, wo seit 5000 Jahren die Reste einer Tempelanlage herumliegen, auf denen man gut sitzen kann. Dann geht der Blick weit über die schöne Stadt, und hinter dem neu gebauten Teil fängt sehr bald schon das Grasland an. Der Himmel ist hoch und weit zugleich. Mit den letzten Strahlen der Sonne fängt sich in den Flügelspitzen der Möwen das Gold. Dann will man selbst lossegeln, notfalls mit einem Drachen oder an einem Gleitschirm, um über den Dächern die eigenen Kreise zu ziehen, so wie sie. Rot blinkend steigen sogar hier, in der künftigen Kulturhauptstadt Europas und der Kulturhauptstadt von Europas ärmstem Land die Drohnen auf. In Banskos Wäldern waren sie verboten. So haben wir uns schließlich den Traum vom Fliegen dennoch so einigermaßen erfüllen können, 2000 Jahre nach Ikarus; halbwegs, oder wie es jetzt heißt: virtuell. 

Gestern, am späteren Abend, vermischte sich das jammernde Tröten, ihr Kreischen und Lachen mit einem aus dem antiken Stadion herüberwehenden Klagelaut, dem im regelmäßigen Abstand von ein paar Minuten vielhundertfach applaudiert wurde. Was sich für unsere Ohren zunächst anhörte wie eine Coverband, war aber der veritable Sänger Sting, der hier ein Konzert unter freiem Himmel gab. Und damit schloss sich wiederum ein Kreis, denn als wir im vergangenen Nachsommer im Schwarzwald die sandsteinerne Klosterruine besucht hatten, war dort gerade alles vorbereitet und eingerichtet worden für ein Open Air in der Klosterruine feat. Sting. Er ist ja von Haus aus Gymnasiallehrer. Vermutlich von daher seine Vorliebe für kulturhistorisch aufgeladene Kulissen. Die Katzen von Plovdiv jedenfalls zeigten sich heute früh ungewöhnlich scheu, geradezu verschreckt, als wir ihnen unsere Futtergaben darbringen wollten. Wir erklärten es uns dann aber so, dass sie noch durch das Gejaule des jazzenden Greises verstimmt waren. Durch gutes Zureden und beharrliches Aufhäufen der Trockenfutterpellets der Marke Clever gelang es Friederike dann bald, die Blockaden zu lösen. Auch bei Katzen kommt der Appetit mit dem Essen. Und es kann halt nicht jeder wie Orpheus singen. Davon wissen Katzen nichts.