EX SITU

Mein Gedächtnis ist kein Rückspiegel, es funktioniert wie eine Diaprojektion: Alles scheint vergrößert, fiel mir dabei ein, als ich heute früh beim Öffnen der Haustüre (Handke soll seine Tochter mit der flachen Hand geschlagen haben, um ihr den falschen Begriff des Aufmachens der Fenster auszutreiben,) der Mume gegenüberstand, die dort, tatsächlich weit unter mir in ihrem Sack voll Knoblauchknollen kramend, nach ihrem Haustürschlüssel (Hausschlüssel: Zack!) wie es heißt: fischte.

Monatelang dürften wir uns nicht mehr in persona begegnet sein. Ich schaute jeweils nur herunter auf ihren Balkon, auf dem noch immer die Geranien bergeweise blühen, während die meinen in Berlin, aufgrund des harschen Seeklimas vermutlich, schon längst abgestorben sind. Und: tatsächlich ist sie noch viel kleiner, als ich dachte. Geradezu winzig, dabei aber kubenförmig, den kühleren Temperaturen angepasst, in viele Schichten eingepackt. Ganz wie es Jennifer Anniston in jener Folge Friends erklärt, was einen Trifle ausmacht: »Ganz viele Schichten.«

Gestern abend dann noch ein im Mutter Ernst, wo man uns Kotelettes brachte, die wie gefrorene Waschlappen ausschauten, braun. Von innen freilich delikat. Mit uns am Tisch saß eine Familie, so als ob gleich gefilmt würde: Der Vater im Dreiteiler aus Wien mit roter Krawatte, die Mutter in einem eng anliegenden Oberteil mit Leopardenflecken bedruckt (erbsgroße Perlen um ihren schönen Hals.) Die Tochter nun, auch modisch als ein Produkt ihrer Erzeuger. Schatten einer Krähe im Spiegel einer Hochhausfassade aus rötlichem Granit. Darüber zog ein Ferienflieger einen hellen Strich über den Abendhimmel. Da bekam ich Gerhard-Schröder-Gefühle »Ich will da rein.«