Frightened Rabbit (Scott)

In den Orangerien der Herrenhäuser Gärten von Hannover gibt es einen Granatapfelbaum, der wächst in einem Topf, und den rollen sie in jedem Frühjahr hinaus vor die Türen der Glashäuser ins Freie auf den Vorplatz. Schätzungen gehen, ziemlich präzise, auf eine Schenkung aus dem 17. Jahrhundert zurück, als, so wissen wir es es aus einem Briefwechsel, dieser Baum, damals noch Keimling, den Welfen als ein Geschenk aus Venedig geschickt worden war.

Hier auf dem Tisch steht seit Wochen ein Strauß von Pfingstrosen in diesen herrlich japonaisen Farben, der einfach nur noch schöner wird mit jedem Tag. Nachts schließen sich die Blütenballen, das haben wir gestern erst wie durch Zufall entdeckt.

Als ich anfang des Jahrhunderts für einige Monate in München wohnte, gab es um diese Zeit in den Jahren auf den Hauptplätzen, also beispielsweise dort, wo einst das Postamt war und heute ist da Louis Vuitton, die als Bauersfrauen verkleideten Verkäuferinnen von Christrosen, die hatten teils auch Spargelbündel im Angebot, und die gaben mir beim Kauf eines Straußes noch den Tip mit, einen Kupferpfennig, bald darauf hieß der Cent, in das Vasenwasser plumpsen zu lassen. Dann »lebten« die Schnittblumen länger. Und das stimmt, wir machen das in der Familie noch bis heute so, es wirkt.

In der Tagesschau geriet gestern schlagartig der Schauspieler Ben Becker ins Bild wie eine Mahnung. Er stand dort, in der Übertragung vom Berliner Bebelplatz, im Hintergrund die ehemalige jüdische Bank, heute »Hotel de Rome«, und zum Gedenken an die Nacht der Bücherverbrennung las er, Ben Becker, Paul Celan. Lief für mich irgendwie auf beinahe das Gleiche heraus.

Pfingstrosen haben wir aus China. Wie ich las, wachsen sie dort in Bambushainen. Kann mir kaum vorstellen, wie schön das wohl gewesen sein mag, dort zu wandeln — und aus dem in grün längsgestreiften Stangenschatten leuchtet dort, und dann wieder hier, malvenfarbend, ein lappiges Bündel der Blütenblätter heraus. Wie Briefe.