Les aveux de la chair

Erfreulich wurde es dann am nächsten Tag, als ich an einem Abend in der vergangenen Woche, deren Tage lang und beschwerlich gewesen waren, beim Fernsehen auf einer Folge der Reihe Durch die Nacht mit… hängenblieb. In einem langen Oldtimer saßen Lars Eidinger und Oskar Roehler. Roehler, von Anfang an sichtlich genervt von seinem Kompagnon, verlor schon nach zehn Minuten zum ersten Mal die Contenance. Das war, für mich komplett nachvollziehbar, beim ersten Zwischenhalt der Tour, als sie, auf Eidingers Bitte hin, durch eine penibel rekonstruierte Seitenstraße des historischen Alexanderplatz spazieren sollten, die sich allerdings, man war dazu eigens von der Schaubühne bis beinahe nach Potsdam hinausgefahren, sich auf dem Studiogelände Babelsberg befand, wo Lars Eidinger in Tom Tykwers Fernsehserie Babylon Berlin in eben genau dieser Kulissenstraße in einigen für ihn unvergesslich gebliebenen Szenen mitgespielt hatte. Nach dem vorhersehbar hochnotpeinlich verlaufenen Atelierbesuch bei John Bock, der sich wie immer über alles freute, kippte die Stimmung und Lars Eidinger beleidigte unter anderem Oliver Masucci, weil der etwas besser Billard spielt als er, Lars Eidinger, selbst, bevor er sich dann in der historischen Stretchlimo zu Christoph Amend fahren lässt, mit dem er weiterkickern will.

Irgendwie gut also, aber halt auch sehr anstrengend, weil Lars Eidinger derart grotesk nervt durch seine dümmliche Spießigkeit. Man merkt ihm an, dass er sich die Gemeinheiten Roehlers nur deshalb gefallen lässt, weil der ihm die Hauptrolle in seinem nächsten Film versprochen hat, wo er dann Fassbinder spielen darf. Ich schrieb ihm, also Roehler, eine Nachricht. Er rief später noch an: Ja, also das sei nun wieder einer dieser Momente im Leben, da musste er zum Hörer greifen. Was ich denn morgen schon vorhätte – wir könnten uns im Soho House treffen, um über ein paar Filme zu sprechen. Das Ding sei, man filme uns dabei.

Wie sagt doch gleich die Amme zu Julia: Mache die glücklichen Tagen zu glücklichen Nächten? Jedenfalls begrüßte er mich dort am nächsten Tag in einem sehr gut geschnittenen postgelben Anzug aus Breitcord, der ihn  aussehen ließ wie einen sehr langen Kanarienvogel. Mir selbst hatte er ein ziemlich auffällig mit Perlenstickereien verziertes Jackett aus Camouflage zugedacht, das aus seiner Privatsammlung stammt, über die man sich ja so einiges erzählt. Hier, vor laufenden Kameras, wo ja vor allem viel gewartet wird, weil andauernd jemand anderes etwas austauscht oder anschließt; wo man alle zwei Stunden lüften muss, weil die Scheinwerfer unerträglich heizen und man Kostüme trägt, war Oskar Roehler in seinem Element. Ich denke, er kann mit der anderen Welt nicht allzu viel anfangen. Zwar hatte ich gehofft, mit ihm über The Florida Project sprechen zu können, weil der mich wie schon längst kein Film mehr berührt hatte (eigentlich wie seit Trocadéro bleu citron keiner mehr), aber das ging natürlich nicht, denn es war im Grunde Roehlers Show und deshalb musste eisenhart über Skandalfilme gesprochen werden. Ging sofort los mit seinem (und Michel Houellebecqs) Leib- und Magenstreifen Seul contre tous. 

Es war halb zehn Uhr morgens. Roehler bekam gute Laune und die steigerte sich noch.