LICHT
Möwen ziehen über das Haus, flamingohaft getönt vom Sonnenaufgang hinter den Gleisen. Angeblich soll in letzter Zeit sogar die Feuerwehr alarmiert worden sein, weil Greise im abendlichen Bild aus buntem Licht und brüllenden Wolken einen fernen Großbrand gesehen haben wollten.
Den Briefwechsel von Ingeborg Bachmann mit Hans Magnus Enzensberger gelesen. Einmal, da ist er dreißig Jahre alt, probiert er seine erste elektrische Schreibmaschine aus und führt ihr die Möglichkeiten des Stakkatotippens darauf vor. Sie kann es ja nicht hören oder sehen, also macht er lange Reihen aus kleinen, und dann Grossbuchstaben, schreibt dahinter, kokett, stets kokett »siehst du wohl, wie lustig das ist?« Monate später verfasst er, der ansonsten stets in Kleinbuchstaben an sie schreibt einen Brief komplett in Grossbuchstaben, damit fragend »SIND DIE GROSSEN BUCHSTABEN NICHT AUCH GANZ SCHÖN?«
Lustig, mit welchen Problemen man sich zu jener Zeit herumgeschlagen hat; es sind im Grunde dieselben geblieben. Einige Briefe werden mit Durchschlagpapier getippt und an diverse Adressen gleichzeitig verschickt, weil der eine nie genau wissen kann, wo der andere sich gerade aufhalten wird. Gibt ja auch jetzt Anläße, wo man eine SMS und eine EMail mit gleichem Anliegen abschickt, um es dringlich zu machen. Dann vielleicht noch einen Anruf tätigt, wenn man keine Antwort erhalten hat. Alle Wege münden in ein und derselben Person, die zwar an ein und demselben Ort sich aufhalten wird, aber trotz allem nicht zu erreichen scheint.
Noch einmal lesen werde ich das nicht, also wohin mit dem Buch? Im Feuilleton war ein eher sanft zu nehmender Aufsatz von Leander Steinkopf, eine Ermutigung, Bücher auch ruhig mal wegzuschmeissen. Über die innerlich wahrgenommene Schwelle hinweg pfeffern, raus vor die Tür. Da ist eine Art Ehrfurcht vor dem Wegschmeissen eines Buches. Eine Art Drang, es zu bewahren, obwohl man es nie wieder brauchen wird.
Kenne ich von Schuhen.