MIT EZRA POUND AM FENSTER

In meinem Traum sah ich Jean–Paul Belmondo von hinten, und er war, bis auf eine kurze Hose, die blau war, nackt. Das blieb die ganze Zeit im Traum über so, dass er nackt war. Und dennoch wußte ich, dass es Jean–Paul Belmondo war, den ich da sah. Er machte mehrmals, immer wieder einen Trick, da ließ er sich aus einer breiten Schachtel Gitanes eine der filterlosen Weißen zwischen die Lippen schnalzen. Auch das sah ich, doch weder die Lippen, noch sein Gesicht. Er hatte Haare auf den Schultern, die waren rötlich. Und einen Flaumkreis dort, auf der gegenüberliegenden Seite des Nabels, wo bei den Menschen einst das Schwänzchen war.

Als ich erwachte, war mir schwindelig. Dies aber nicht von dem Traum. Ich erinnerte das Tiefdruckgebiet aus Skandinavien, das in der Wettervorhersage angekündigt worden war. Jetzt werde ich also auch noch wetterfühlig.

In der Stadt war es warm. Ein Kind raschelte mit Lindenblüten und sagte »Leider ist jetzt Herbst.« Igor begrüßte mich mit »Endlich. Nach sieben Jahren.« Ich war ja tatsächlich zum ersten Mal seit seiner Eröffnung im Café Giro zu Gast.

Am Samstag hatte mir Jan ein neues Reich gezeigt. Es liegt am Priesterweg, wo es eine sehr schöne Bahnstation gibt, die wie eine verkleinerte Ausgabe des Bahnhofs Wannsee ausschaut und gerade deshalb, ihrer Kompaktheit wegen, so schön. Und dahinter, es kostet Eintritt, also liegt das Reich, das aus einem ehemaligen Rangierbahnhof der Reichsbahn besteht und nun hat man dort über die Jahre Birken und Robinien durch die Gleise und Schwellen hindurch wachsen lassen. So ist ein dichter Wildwald entstanden und auf dessen Lichtung steht eine Lokomotive in all ihrer Kolossalität, auf der man herumklettern kann, obwohl es laut einem Schild streng verboten ist. Aber das merkt niemand, denn das Eintrittsgeld für das Reich entrichtet man bei einem Automat.

In dem Biergarten dort, schon wieder draußen, wurden wir von einer jungen Frau bedient, die hatte eine helle Haut mit sehr vielen Sommersprossen. Sie verstand alles falsch und brachte immer irgendwas, und aufgrund ihres Akzents hielten wir sie obendrein für eine Dänin, aber sie war, wie sie uns auf Nachfrage hin sagte: aus Namibia. Später saßen wir noch lange im Garten und verfeuerten so ungefähr einen halben Baum in der eisernen Schale, weil es ja kalt war. Und kalt leuchteten die Sterne, vor denen Wolken vorüber getrieben wurden vom Nachtwind. Und alles übrige war schwarz. Am Tag darauf wurde in Klagenfurt diskutiert, ob man einen Sternenhimmel nun als kristallin beschreiben durfte, oder. Und draußen rauschten schon wieder die Bäume.

Vor dem Giro sitzend sprachen wir über Wolken und Augen. Über Wetterfühligkeit, James Mason und die Studio-Theorie von Claudius, She Tied a Yello Ribbon, Struktur, Mahler in der Kirche, wie Leute sich zu sterben wünschen und warum. Und setzten so ein Gespräch einfach fort, das beim Spaziergang durch den Wald, am Feuer und am Telephon angefangen ward; eigentlich geht es doch bloß um Unaufhörlichkeit.

Berlin so groß, auf manchen Strecken läuft die Gültigkeit einer Fahrkarte noch vor Erreichen der Endhaltestelle ab, weil die Gültigkeitsdauer auf eineinhalb Stunden in Fahrtrichtung begrenzt ist. Kurz vor Schluß fährt der Zug ohne Zwischenhalt acht Minuten durch den Grunewald, draußen nur Grün, noch.

Hier wohne ich.