Ortolan und Leinenhaube

Das Loom gibt es wirklich. Kaum noch in Bielefeld am Hauptbahnhof angelangt, wurden wir von unseren Gastgebern in eine Fußgängerzone geführt und kurz darauf standen wir auch schon davor. Dass ein Einkaufszentrum so etwas wie Berühmtheit erlangt, auch das verdankt sich dem Internet. Dort war in den Wochen vor Weihnachten unter anderem auf Twitter viel berichtet und kommentiert worden hinsichtlich des Looms. Unter anderem fragte man sich, ob der merkwürdige Name des Bielefelder Einkaufszentrums, Loom, eventuell als eine Art hot take auf den Namen des berühmten Bielefelders Niklas Luhmann zu nehmen sei oder war. Nun, da wir dem veritablen Loom in Luhmanns Stadt und Wirkungsstätte gegenüber standen, ward uns sonnenklar gemacht, dass die Herleitung unumwundener zu deuten war: Loom, der Webstuhl im Englischen, weil Bielefeld ja einst, noch weit vor Puddingpulver und Pizza von Oetker und freilich auch vor Systemtheorie als Stadt der Leineweber bekannt geworden war.

Heute lautet der Slogan »Bielefeld – weil‘s mir gefällt«. Und ich muss es nicht, will aber sagen: mir auch. So standen wir, auf unserem Weg in unser Hotel, den Plettenberger Hof in der Magenbruchstraße, auch einmal vor einem Baum, der voller Weinlaub hing (im Sommer freilich, momentan war er noch kahl) und dessen knorriger Stamm sich wie unter Schmerzen aus dem Asphalt des Vorplatzes einer schmucklosen Kirche herauszuwinden schien. Beschaulich. Daneben war eine lebensechte Bronzeplastik aufgestellt von einem Mann, der eine Tragstange voller Trauben über die Schulter gelegt auf diesen Baume, der ja im Gegensatz zum traubentragenden Kanaaniter echt war, zuzustreben schien. Eine Begegnung von Kunst und Natur, die mich gedanklich noch lange in Atem hielt.

Derweil wir saßen und, wie es im Schwäbischen heißt: tagten, im Brauhaus Joh. Albrecht, wo es ein sehr gutes Bier gab, das man im Amerikanischen als crisp bezeichnen würde. Aber ein Bier als knackig bezeichnet hier in Westdeutschland kein Mensch. Es war auffällig, wie sauber und ordentlich die Straßen und Wege in Bielefeld gehalten wurden. Interessant für die Freunde der Administrative: Bielefeld wird aus zwei Rathäusern heraus verwaltet und regiert. Eines heißt einfach wie gewohnt Rathaus, das zweite aber trägt die Aufschrift »Technisches Rathaus« in serifenlosen Lettern aus Messing auf der weitflächigen Eingangstüre aus brüniertem Glas. Leider war es da schon spät am Abend, und zudem noch ein Sonntag, sodass sich ein Versuch des Nachfragens vor Ort, was es denn mit dem sogenannt Technischen Rathause auf sich hat, von alleine verbot.