Reformation

Enter Sandman. Und die Welt zählt laut bis zehn.

Von der indischen Küche liebe ich insbesonders die Salate und dies, freilich, vor alledem weil die indische Küche gerade nicht für ihre Salate berühmt ist. Der Kapitalismus hat uns jetzt bis in die Fasern durchdrungen. In dem indischen Restaurant auf der Königsallee begrüßt man mich freudig, herzlich, ich bekomme zu dem Salat eines der Aufblasbrote, ein Bhatura, geschenkt mit der Begründung, dass man sich freue, mich wiederzusehen. Im Effekt hat der Kapitalismus also vor allem Freudlosigkeit produziert, denn ich kann mich über den Willkommenssegen nicht freuen, nicht wirklich, weil ich ja weiß, dass sich diese Inder vor allem über das Geld freuen werden, dass ich ihnen hinterlasse.

Gestern dann zum ersten Mal seit langem auch wieder in Kreuzberg gewesen, um mit Hendrik ein paar Dinge zu besprechen. Am Görlitzer Bahnhof ausgestiegen und es geht dort ja mittlerweile zu wie ich weiß gar nicht wo sonstwo – ich stieg aus dem gelben Waggon und fand mich sofort umringt von den dunklen Gestalten, die Hiphop-Gesten machten und mir ins Gesicht sagten »Gras?«

Was macht man da, als Fledermaus? Wie erwidert man diese Signale? Wird jedenfalls Zeit, dass die Legalisierung endlich kommt. Hendrik meinte, dass es an der Warschauer Straße noch etwas drangsalierender zur Sache geht. Falls.

Snack dann im Imren, wo es ein sehr großes Aquarium gibt, vor dem ich sehr gerne sitze, während ich allein mein Brot wie es heißt: zu mir nehme. Das Aquarium, es leuchtet bläulich wie ein Telefon, enthält nur einen einzigen Fisch. Er ist sehr klein. Ein Clownsfisch, und Kinder stehen gern davor, weil sie diesen Fisch ja aus den Filmen kennen. Sie rufen »Nemo«. Die Kinder sind natürlich auch erstaunt, dass ein Clownsfisch in Wirklichkeit ganz klein ist. Im TV kommt er ihnen sehr viel größer vor.

In der schönen Bar mit dem unschönen Namen brannten Kerzen aus schwarz gefärbtem Wachs. Später kam noch Adriano dazu, was schön war, wir hatten uns ewig nicht mehr gesehen. Wie lange wir uns nun schon kennen? Wahnsinn eigentlich: Es sind weit mehr als 22 Jahre. Gespräche mit Demna und später auch mit Lieselotte über die sogenannte Fashion. Es gibt wohl niemanden mehr, der noch an irgendetwas glaubt.

Auf dem Heimweg schaute ich lang, sehr lange aus dem Fenster und da ging über der Stadt bereits die Sonne auf. Ich bin mir nicht sicher, ob ich das Tagebuch im nächsten Jahr »Strahlungen« nennen soll, oder »Arbeit und Struktur«.