Supermarktologie

Wunderbar, wie sich rein durch die Lektüre eines Buches meine Wahrnehmung verändert. So japanisch hier. Im Rewe war alles voller Hasen. Eigentlich war ich zum Kauf antibakteriell beschichteter Schwämme gekommen, doch was sahen meine vom Katerfrühstück mit Christian Boros noch ganz glasigen Augen: die Zahnfee von Playmobil.

Die Zahnfee hatte ich mir immer ganz anders vorgestellt. Das heißt im Grunde gar nicht, denn als ich noch Haide war, gab es keine Zahnfee. Meinen ersten ausgefallenen Milchzahn hat mir mein Vater auf ein Stückchen Watte in einer Schachtel Welthölzer gebettet. Und dorthinein kamen dann auch alle anderen.

Die Zahnfee als Modell einer Idee wird von Playmobil hergestellt in Form einer leicht untersetzten, blondhaarigen Frauengestalt mit grünlich irisierenden Libellenflügeln. Die scantily clad nubile hat B-Körbchen, ums Dekolleté (V) hängt ein Amulett in Form eines Backenzahns. Rock ist mini in weiß, ziemlich thothaft, eher ein Gürtel, sie trägt nichts drunter — natürlich, unter Elfen braucht es keiner Unterwäsche. Bißchen viel Make-up vielleicht. Keulenförmige Oberarme, arms in the style of her aera* — macht freilich Yoga. Beigegeben sind ein Zauberstab, mit dessen von einem Stern gekrönter Spitze sie den Verlustschmerz ausgefallener Milchzähne lindert. Sowie ein aufklappbarer Schrein, ebenfalls in Backenzahnform, der an seiner Vorderseite mit dem selben Emblem verziert wurde wie auch der zahnweiße Minirock der Fee. Es handelt sich dabei wie selbstverständlich um einen Stern.

Mülltüten vergessen. Aber was funkelte dort beim Betreten der S-Bahn auf einem vom Sonnenlicht beschienenen Sitzplatz? Eine Münze (fünf Zloty). Zahnfeeglaube hat prompt gewirkt.

* Douglas Coupland