VON BERLIN ÜBER HAMM NACH BAD GODESBERG UND ÜBER BONN UND KÖNIGSWINTER ZURÜCK II

In Bonn war es nicht bloß vergleichsweise ruhig. Schön war bei der Einfahrt nach Bad Godesberg aber noch der Ausruf einer Passagierin gewesen, die aus dem Fenster schauend die Graffiti an den Fassaden bewundert hatte »Die haben hier überall diese Wandmalereien!«

Im Kanzlerhotel, wo wir im Vorjahr schon abgestiegen waren, fanden wir alles unverändert. Die beiden in Gold gerahmten Gesichtsaufnahmen der Altkanzler Kohl und Schmidt: unbebrillt hingen sie als Kustoden zu beiden Seiten der silbrigen Aufzugstüre. Man nickt ganz unwillkürlich. Kurios, dass es in diesem Themenhotel an dem Glas der Duschkabinen einen ätzgravierten Bundesadler hat.

Der Rhein ist mir ja zu breit. Oder zu flächig? Jedenfalls gefallen mir die Proportionen nicht. Der Neckar hingegen wirkt schlank, geradezu sehnig auf mich (was auch daran liegen kann, dass ich an einem Nachmittag im Teestüble am Brückenkopf bei Ludwigsburg beinahe im Neckar ertrunken wäre, weil mir beim skinny dippin‘ für den Rückweg vom anderen Ufer schlagartig die Kraft ausgegangen war, und wenn mich nicht der starke Marcus kraft seiner starken Arme ans Land gerettet hätte.) Die Spree wiederum — man mag es sich denken.

Klare Sache, dass wir nach dem Arbeitstag den Abend in jenem in ganz Deutschland einmaligen Restaurant verbrachten, das in Form eines altkaiserlichen Pagodenschiffs, einer veritablen Dieseldschunke, am linksrheinischen Ufer ankert. Der mit einem speziellen Humor begabte Ober dort liess uns am sogenannten Table Number One platznehmen. Worauf ihn der Fotograph als Brother Number One begrüßte (und diese Anspielung auf die jüngere Geschichte des mit China in absolut keinerlei Art und Weise auch nur irgendwie in Verbindung zu bringenden, aber halt zumindest ebenfalls asiatischen Zwergenstaates Kambodscha kam anscheinend gut an.) Später dann, beim Pflaumenwein, erzählte uns der Chinese von seinen Zuchterfolgen mit den Koikarpfen, von denen die teilweise kindsgroßen Prachtexemplare in einem unverdrossen sprudelnden Indoor-Teich gleich hinter meiner Lehne dümpelten. Besonders einer, dessen schwarzer Leib mit pikant orangenfarbenen Schuppen gemustert war, hatte es mir angetan und während ich noch mit Appetit das Schweinefleisch nach dem Rezept von Paul Newman mit Stäbchen in mich hineinschaufelte, bekam ich die Anfangsszene aus Eat Drink Man Woman nicht aus dem Sinn, in der ein ähnlicher Fisch in aufrecht stehender Haltung mit siedendheißem Erdnußöl arosiert wird.

Selbst auf dem Heimweg ins Hotel — der Fotograph erzählte mir, da wir unter bedecktem Nachthimmel über den schwarzen Rhein wandelten, von dem Sternenschauspiel über der Toskana, wo selbst die Milchstraße zu sehen ist wie sonst nur in Ostafrika — dachte ich an dieses herrliche Fischgericht, das mir entgangen war — wieder einmal, weil ich mich nicht zu fragen getraut hatte. Dabei war ich ihm, an Bord des Pagodenschiffs mit dem schönen Namen Ocean Paradise am Table Number One so nah gewesen wie noch nie zuvor.