Navigationssystem der irischen Art

Anekdote
unveröffentlicht

Mein französischer Freund Antoine und ich waren in den Außenbezirken der irischen Hafenstadt  Cork unterwegs, mit einem modernen Wagen zwar, aber leider ohne ein „Navi“. Wir suchten eine Straße, die auf dem Stadtplan nicht verzeichnet war, und dort ein Haus, dessen Nummer wir ebenfalls nicht wussten… Antoine hatte bei einem Patrick O’Brian per eBay eine Partie seltener Bücher ersteigert und wollte sie persönlich abholen. Ein schöner Anlass, im Rahmen eines Weekend-Ausflugs von Cherbourg – ich wohnte zu jener Zeit in der Normandie – mal eben nach Cork überzusetzen.

Als Antoine (sein Mobiltelefon, mit dem wir Mr. O’Brian hätten anrufen können, hatte er daheim vergessen) den Wagen anhielt, um den nächst besten Passanten zu konsultieren, erschien dieser in Gestalt eines Spaziergängers mit einem riesigen Hund. Ja, natürlich kannte er die Sackgasse, und noch besser: jener Patrick O’Brian schien ein Freund von hm zu sein, so dass er auch das nummernlose Haus beschreiben konnte! Dies tat er aber leider in einem Dialekt, den weder Antoine noch ich verstanden, so dass sich der Hundebesitzer kurzerhand bereit erklärte, einzusteigen, samt seinem – sich dagegen sehr sträubenden – vierbeinigen Begleiter natürlich, um uns an jene Adresse zu lotsen, die wir niemals selbst gefunden hätten. Sie lag in einer verwinkelten Siedlung, einem Labyrinth schmaler Gassen und üppiger Gärten, mit Häusern ohne erkennbare Nummer, wenn auch mit hübschen Namen. Im rückwärtigen Teil des Autos, zwischen (noch) leeren Bananenkartons, kauerten sich Hund und Herr, und letzterer erteilte Antoine seine Fahranweisungen mehr laut als deutlich.

Patrick O’Brian heißen unendlich viele Iren, und wir argwöhnten, unser Lotse meinte möglicherweise einen ganz anderen… Nein nein, der mit der schönen alten Bibliothek, die er auflöst, nicht wahr? Yes indeed, exactly zu dem möchten wir!

Endlich am Ziel, kletterte der Mann mit seinem ungeduldig zappelnden Vierbeiner aus dem Karton-Verlies, und Antoine sagte zu ihm: Wenn Sie eine Stunde Geduld haben, bringen wir Sie wieder zurück! Aber unser Navigator bestand darauf, die drei Meilen, also fast fünf Kilometer, zu Fuß zurückzulegen. Das sei er schon seinem Hund schuldig, meinte er, der gar nicht gern Auto führe. „Wenn Sie aber darauf bestehen, sich zu revanchieren, dann legen Sie zehn Prozent des Kaufpreises drauf… Patrick hat’s verdammt nötig, sonst würde er sich nicht von seinen schönen Büchern trennen… und der liebe Gott wird’s Ihnen sowieso vergelten…“