Bilder abbilden

Essay
zuerst erschienen 2006 in Revolver - Zeitschrift für Film

Wie zeigt man Kunst im Film? Es scheint einfach zu sein. Wann immer von einem Kunstwerk die Rede ist, kann man es einmontieren, als Reproduktion aus einem Katalog oder als abgefilmtes Original. Die einfachste Form ist das Interview mit dem Künstler, das von Abbildungen unterbrochen wird. Unter der Filmebene entsteht eine Ebene zweiter Ordnung, zur Illustration der Hauptebene.

Warum verweigere ich mich in „This Not That“ und den anderen Filmen zu Themen der Kunst und Musik dieser sich so selbstverständlich nahelegenden Form und zeige Kunstwerke stattdessen in realen Situationen: an der Wand bei einem Sammler, bei dem eine Szene spielt, auf dem Messestand einer Galeristin, die interviewt wird, oder als Abbildung in einem Buch, das der Protagonist in diesem Moment durchblättert?

Zunächst weil in einer idealen Filmsprache jedes Filmbild von gleichem Rang sein sollte. So wie zu Beginn der Moderne Mies van der Rohe eine Architektur forderte, bei der jedes Element von der Idee des Ganzen durchdrungen ist und es keine Trennung in funktionale und dekorative Bauteile mehr geben sollte, und so wie Wagner einen musikalischen Satz forderte, bei dem jeder Ton gleichwertig sein und es keine Unterscheidung von Melodie und Begleitung mehr geben sollte, wird ein seines Mediums bewusster Regisseur es vermeiden, ein Montage-Problem mit einem sogenannten Zwischenschnitt auf Hände, Blumenvasen oder Haustiere, auf Familienphotos, alte Gebäude oder eben Kunstwerke zu lösen. In einem geschlossenen Film-Kunstwerk gibt es keine Bilder zweiter Ordnung.

Aber noch schwerer als dieser dogmatische Einwand wiegt der rezeptionsästhetische: Das zwischengeschnittene Kunstwerk wird als Beleg dechiffriert. Es wird gelesen. Als Filmbild im szenischen Kontext dagegen wird es erlebt. Der Sammler spricht mit dem Künstler über seine Lieblingsarbeit und sieht sie an. Die Montage greift seinen Blick auf und schneidet auf das Bild. Dieser einfache Schnitt vom Blickenden auf das Erblickte ist der Hebel für die magische Kraft des Kinos: durch das Auge - Fenster der Seele - betritt der Zuschauer das Bewusstsein des Protagonisten, er identifiziert sich mit ihm, indem er, aktiv, sieht, was der Protagonist sieht, statt dass ihm, passiv, gezeigt würde, wovon die Rede ist. Das Kunstwerk, auf das der Sammler blickte, ist integriert in einen Erzählfluss, es wird Teil der fiktionalen Welt des Films, statt als bloßes Dokument aus ihr herauszufallen.

Diese Technik macht es dem Regisseur schwerer, die Bilder zu zeigen, die er zeigen möchte. Manche These wird weniger anschaulich und der Informationsgehalt eines solchen Films vielleicht sogar geringer sein als der einer konventionellen Dokumentation. Der Poet will jedoch, mit Lessing, „die sinnlichen Gegenstände erlebbar machen“. Gelingt es ihm, die Kunstwerke von ihrer Rolle als Belege zu befreien und ihnen im Gewebe des Films ihr Eigenleben zurückzugeben, werden sie in den Zuschauer eindringen und in ihm fortwirken – bis dahin, sein Leben zu verändern.