Damen, die ich kannte (IV) – Khavar Zolghadr

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Portrait
zuerst erschienen im Juni 2005 in Der Freund Nr. 4

„Khodarfez heißt auf Wiedersehen – sprich es einfach aus die Rudolf Hess, Eva.“ Vollgas raus aus Teheran. Khavar Zolghadr zurrt das halbdurchsichtige schwarze Kopftuch unterm Kinn fest, lässt aber absichtlich ein paar Strähnen ihrer vollen rotbraunen Haar verboten und verführerisch im Wind flattern. Unser Taxifahrer steuert mit seinen von schwersten Verbrennungen gemaserten Händen auf einen Tanklaster und eine zerbeulte 76er Corvette zu. Ein ausgebrannter 2CV liegt am Straßenrand. Unser iranischer Peykan kommt millimetergenau durch, rein physikalisch unmöglich. „Inshallah“, haucht Khavar, die Handflächen nach oben. Gott hat es so gewollt, nicht sie.

Wie immer im Iran, habe ich das leicht aufgedrehte Gefühl, ich sei in einer low-tech John-Le-Carré-Verfilmung. Schwenk auf: Bürgerkriegskulisse, Partys, Verschwörungstheorien, Opium. Reißzoom: Intrigen, Sex und close-up auf einen gut eingeschenkten Martini mit Olive.

„Bei der Lufthansa war es am lustigsten, da haben wir ständig im Büro gefeiert, auf den Tischen getanzt.“ 1978 bei der Swissair wurde es dann ernster. „Den Revolutionären war das Papier ausgegangen, sie schrien zu uns ins Büro hinauf, in den zweiten Stock a Taleqani Square.  Wir nahmen die Papierrollen aus unseren IBM-Druckern und warfen sie ihnen zu, aus dem Fenster.“

Im Dezember `78 verlässt Khavar den Iran mit nur einem einizgen Koffer, im Glauben, ganz bald wieder zurückzukommen: „Wir haben so getan, als sei alles ganz normal, ich bin mir noch einen Baumkuchen bei Freunden abholen gegangen, über mir kreisten Hubschrauber, ich saß mit dem Taxi fest in einer Demo, sie schlugen einen Polizisten ganz brutal nieder, viel Blut, aber ich wollte Baumkuchen, es war ja kurz vor Weihnachten.“

Jahre vor der Revolution arbeitete Khavar erst für die Pan Am, dann für eine iranische Waffenimportfirma, wurde verhaftet, mit Verdacht auf Spionage. „Laaange Geschichte.“ Es fielen verdächtig viele Panzer von den Schiffen der Importfirma, Millionen Dollar verschwanden in dicken Büchern, die Rechnungen waren auf Englisch, die konnte keiner in der Importfirma lesen: „Reiner Teilzeitjob, Buchhaltung.“

Eines Abends, ein komisches Stöhnen aus dem Nebenzimmer. Khavar entdeckt hinter einem Regal einen weiteren, einen geheimen Raum. „Das Stöhnen wird lauter, und dann sehe ich meinen Vorgesetzten, der gerade seine Sekretärin, du weißt schon.“ Er sieht sie, sie sieht ihn, und sie weiß zu viel über jemanden, von dem sie nichts wissen will.

Die Nachbarschaft wird abgeriegelt, und drei Savakis – Geheimpolizisten des Schahs – stehen vor ihrer Tür, mitkommen. „Ich, für die Russen? Gut, ich sprach fließend Russisch. Aber das… lächerlich.“ Einwurf zweier Beruhigungstabletten, denn: „Wer entspannt ist, redet nicht so viel.“ Die Verhöre sind ein Kinderspiel für sie, den vom Mossad trainierten Savakis geht schlielich gegen vier Uhr morgens die Luft aus. „Dann haben sie mir einen seeehr gut bezahlten Job angeboten. Ich sollte bei einer Botschaft arbeiten, auf Cocktailempfänge gehen und gut zuhören. Ich habe abgelehnt, ich kann das nicht, verpfeifen.“

Dann wieder dieses sexy Effekt-Blinzeln, das alle Frauen und Männer im Iran machen: Kopf abrupt zur Seite neigen, wie ein schiefes Nicken und dabei langsam Augen schließen, dann – Kinn ganz weit unten – Augenlider wieder nach oben schwimmen lassen, und sobald man sich wieder in ihren Augen spiegelt, drehen sie ganz schnell den Kopf weg und lassen einen alleine mit diesem Herzklopfen.