Dead Moon

Portrait
zuerst erschienen im September 1990 in Spex Nr. 9, S. 32-35
[33] for Desaster, for my Eye, for my Anger, before I Die, for Mona, Oh wrrwrroooaaahgrrrgl (unverständlich) for Night. „Don't Teil Me What I Was Before - Accept That l'm Something More.“ „Cutting Like A Knife Through The Night." That's The Way You Spell Fred Cole.

OK You’ve gotta imagine me like 14 years old, with a really high screamy little voice. And the bass is going: ddudududum… ddum… dum… dum… (krächz… die glockenhelle Knabenstimme hat doch gelitten in den Jahren des Garage-Heulens… hat etwas von einem kleinen lehmverschmierten Gespenst, das dünn aus seinem Grab hervorklimmt:) „I knew a man just a short time ago/who had no place to stay or to go… dddddum… he had a shack out of old tin cans… tshsthsthsthsth… pockpockpock (Tischkante)“ blackgirls in the background‘…“

„Poverty Shack“, 1964, unveröffentlicht.

AIs Cole vor 20 Jahren mit den Weeds nach Portland kam, konnte er noch richtig schön singen. Vorher hatte er in Las Vegas mit den Lords Chartsmusik in etwas wilderer Ausfertigung gespielt und unter dem Namen „Deep Soul Cole“ eine extrem kurze Wunderkind-Karriere als weißer „Little“ Stevie Wonder (der hieß früher wirklich so) absolviert, während der er immerhin mit solchen Größen wie Larry Williams arbeitete – er spielte Gitarre bei der oben erwähnten Aufnahme – bei Little Stevie Wonder nicht Klavier lernte, obwohl der sich sehr bemühte (jaja! Ebony & Ivory! schon damals), und zitternd vor Ehrfurcht vor der Garderobe gewartet, in der Ray Charles Heroin spritzte,

Fred: „Mike Tell, der Typ, der damals das ‚Colosseum‘ in Las Vegas managte, wollte mich ganz groß rausbringen, und sagte: ‚Aus Dir mache ich den weißen Stevie Wonder, und ich will, daß du völlig bizarr und durchgedreht auf die Bühne kommst, klar?‘ Er ließ mich trainieren wie einen Zehnkämpfer, jeden Tag mußte ich zehn Kilometer neben seinem Auto her durch die Wüste rennen, in der Hitze, nur um mich für die 20 Minuten Show fit zu machen. Ich lauerte immer im Hintergrund des Saales. Dann spielte die Band zehn Minuten lang ihren Soul, dann hieß es: ‚Und nun, Ladies and Gentlemen… DEEP SOUL COLE‘, und ich raste quer durchs Publikum, über Tische und Bänke, sprang auf die Bühne, grapschte mir das Mikro – so quer vorm Bauch – und machte den James Brown, klomm die Vorhänge rauf und runter… KREISCH!!! It was funnier than shit, aber mir war es bitter ernst damit. Ich ging total auf darin, ich fand mich grandios. Ich muß noch irgendwo dieses Foto haben. Tolle und Anzug und das Mikro schräg vorm Bauch …ich schwitzte sowieso, wegen der Scheinwerfer, aber das war ihnen nicht naß genug, also haben sie mir buchstäblich einen Eimer Wasser übergekippt: einfach SOUL TO THE MAX!!!!, das kannst du mir glauben.“

Ursprünglich mehr dem Kreisch-Stil zugeneigt, black to the bone „wie dieser Typ, der ‚Lucille‘ gesungen hat, mit der Frisur…“ (Little Richard), hinterließen Unmoral und Selbstmitleid, Trademarks der Sixties, bald ihre faszinierenden Spuren und gebaren den sexy white longhaired blue R&B- Sänger, dessen eitle und melancholische Größe in vielfacher Ausfertigung die Ära bestimmte. Gespenstische Abbilder wie die Fuzztones und die Droogs warteten in noch im Nebel der Zeit verborgener Zukunft schon darauf, einen Original Sixties Cole zu covern - „She Must Be A Witch“ sollte es schließlich werden. Die Weeds kamen nach Portland, um dort Abend für Abend in ihrem Stammclub den Wilden zu machen, und Toody Connor, die schüchternste und stummste der Kellnerinnen, hing jeden Abend in einer unauffälligen Ecke, um Fred Cole zuzusehen, wie er mit den Jungs um die anliegenden Frauen spielte und sich im großen Stil wie ein Arschloch benahm.

Toody Cole: „Er war ein Arschloch wie alle Typen. A womanizer. Ich war verrückt nach ihm. Eines Tages fuhren wir in die Stadt und heirateten. Als wir heimkamen, saßen die Jungs bei Dosenbier vorm Fernseher. Wir setzten uns dazu und nahmen eine Dose. Seitdem sind wir keinen Tag getrennt gewesen.“ In guten wie in schlechten Zeiten.

Love waren Fred Coles erste große Liebe, und irgendwo in Toodys mageren, ledrigen [sic] kleinen Körper muß sich „Signed D.C“ für alle Zeiten eingebrannt haben, Abend für Abend für Abend gespielt bis heute… Lollipop Shoppe Songs gehören heute anderen, und Cole schaudert bei dem Gedanken, wie es hätte sein können, 20 Jahre lang „She Must Be A Witch“ zu spielen, aber „Signed DC“ ist immer noch ein favorite Live-Cover und fester Bestandteil der Dead-Moon-Sets. Das war ihr Leben: „And. no. one. cares. for. me.“ ANOCFM. Cutting like a knife through the night.

Die Weeds rangen sich eine Single ab, „It’s Your Time“, die Fred Cole 87 für Behemoth Records mono etc. neu einspielte, und wurden an die West Coast verschlagen. Nach einem deprimierenden Erlebnis am Künstlereingang des Fillmore („Eine BAND! Den Trick hat ja noch keiner versucht! Die ‚Weeds‘, köstlich. Gestattet, daß ich lache.“), Folge ihrer jugendlichen Vertrauensseligkeit und der desperaten Machenschaften eines weithin als irrsinnig gefürchteten DJs aus Las Vegas, lieferten sie sich Lord Tim Hudson, dem „Erfinder der Flower Power“ und Manager der Seeds aus, strahlenden Auges direkt ins frühe Grab. Fred Cole hat heute noch nicht den Treppenwitz der Musikgeschichte verwunden, daß er, nachdem er wegen der langen Haare von der Schule geflogen war, des Elternhauses verwiesen wurde und auf der Hühnerfarm einer kauzigen Oma – Auffanglager für die paar Jungs mit Haaren, die Las Vegas 64 zu bieten hatte – auf dem Fußboden schlafen mußte, schließlich doch unters Messer kam und sich darüber hinaus mit einem LUTSCHER fotogra-[34]fiert fand, einzig deshalb, weil Lord Tim sich sagte, eine langhaarige Band namens Seeds brauchte keine langhaarige Konkurrenz namens Weeds, und mit dem überzeugenden Ergebnis, daß die so entstandene Band Lollipop Shoppe schließlich auf einem Plakat mit der Chocolate Watch Band endete. Ein gespenstisches Echo von Zähneknirschen hört man bis heute.

„Es ist so lange her, daß es mir unwirklich vorkommt, aber damals mußten wir auch die Heirat so lange geheim halten. Heute wäre es lächerlich, aber damals war es tatsächlich eine Frage von Leben und Tod für eine Band von kleinen Jungs, die ein Publikum von sentimentalen Mädchen überzeugen muß. die davon träumen, den Sänger zu heiraten.“

Es war ein langer Weg von der Marketing-Strategie bis hierher, was?

„Heute gibt es nur eins: die Freiheit. Vielleicht war es kein unverzeihlicher Fehler, schließlich haben wir so eine Plane rausgebracht, aber ich habe mir gesagt, das war DAS LETZTE MAL, daß ich mich dem Erfolg verkauft habe! Und seither habe ich auch nie welchen gehabt. Ein unschlagbares Rezept.“

Es ist doch zumindest gut, wenn man sich solche Konzepte nicht selbst ausgedacht hat, sondern sagen kann: der Mann da hat gesagt, ich soll mich komisch anziehen. Es hätte ja auch gut laufen können.

„Der war’s! ich mache das jetzt lange genug, um zu wissen, daß Sachen entweder laufen oder nicht. Tja. Und des Geldes wegen macht man’s auch nicht mehr, schließlich ist man immer gerade pleite oder gerade nicht pleite, egal, wieviel Geld man hat.“

„Just Colour“, die einzige Platte von Lollipop Shoppe, wurde ein schönes Teil, rauh und verspielt zugleich, Soft-Psychedelic und Fred Coles Definition von „heavy metal r&b“ mit viel Sinn für Drama. Mein Favourite ist trotz vieler punkigerer Perlen die beispielhaft elegische Sixties-Begräbnis-Stimmung von „Don’t Look Back“, die von säbelnden Streichern erhöhte Lust grenzenloser Einsamkeit… Stöhnen… erlösende Tränen… und von da zurück in die Welt der Farben, Frauen und Gemeinheiten. Definitiv keine Lutscher-Musik, und Gerechtigkeit haben sie doch einmal erfahren, als sie zwei Songs zum Soundtrack eines wahrscheinlich ziemlich packenden Biker-Movies, „Angels from Hell“, beitragen konnten. Nichts an dieser Platte war falsch, außer ihrem Geschmack und ihrer Frisur.

„Kicked Dut, Kicked In“ auf „Defiance“, der neuen LP von Dead Moon, handelt neben anderen Rückschlägen natürlich auch von diesem großen Irrtum. Fred Cole hat damals allem Süßen entsagt, niemals einem einzigen Menschen ungefragt eine Promoplatte zugeschickt und sich nie wieder die Haare geschnitten. Außer natürlich, als er Punkrock spielte. Doch davon später.

Heute lebt Cole mit Toody in einem selbstgebauten Haus auf 20 Acres eigenem Land in Clackamas, einem Vorort von Portland, Oregon. 10 Jahre lang stand dort eine kleine Blockhütte aus Holzabfällen und Ästen, wie sie Kinder auf Abenteuerspielplätzen bauen, in der Fred und Toody glücklich waren, wenn sie das Anwesen nicht gerade mit der Waffe in der Hand gegen Abgesandte der Stadtverwaltung verteidigen mußten. Im ältesten Gebäude von Clackamas, einem General Store, Baujahr 1854, befindet sich der Tombstone Music Store, in dem Fred und Toody Instrumente der local bands an- und verkaufen, Geschäfte mit den Japanern machen (Genauer gesagt: sie versuchen immer wieder, sich Probelieferungen und gigantische Rabatte bei Bestellung von zwei Gitarren zu erschleichen und sind damit in bescheidenem Rahmen erfolgreich gewesen) und zur Unterhaltung aller Kinder aus der Nachbarschaft die Ratten vorführen, die sich während der Öffnungszeiten auf der Krempe von Freds Cowboyhut tummeln und sein Hutband fast ganz abgenagt haben. Der berühmte Sohn Portlands, Greg Sage von den Wipers, kaufte irgendwann im Tombstone Music Store Gitarrensaiten. Ein mittlerweile legendärer Deal, der in allen Stadtzeitungen im letzten Monat gewürdigt wurde.

IST Fred Cole dieser abgeklärte alte Hund mit der lustigen Nase, in Cowboyhut und Cowboystiefeln, dessen Hose sich hinten freundlich faltet und grenzenlosen Langmut signalisiert? Ja! Fred Cole hat seit Jahren keinen bösen Tag mehr gesehen und legt sein ganzes Glück in die Worte „Und meine Frau ist auch schon 41!“ (als ob man das nicht sehen könnte]. Gleichzeitig jedoch ist er einzig in seiner Art. Auf den baufälligen teilerhaltenen Etagendecken des alten General Stores, über denen der bleiche Mond scheint (wenn man ihn sehen kann, was man kann, wenn es gerade nicht regnet), lassen sich wilde desperate Konzerte geben, wenn man die Gefahr nicht achtet, mit dem ganzen General Store auf ein imaginäres Publikum zu krachen. Und hinten im Häuschen, auf den 20 acres rauhem Land, verbirgt sich Coles Label Tombstone Records, sein Studio, in dem er ziemlich beständig Platten aufnimmt: Mono. Das monoste diesseits von Grammophon. Da ist Wind drauf, da heult es aus der Feme, da hat wieder einer die Tür aufgelassen, was? Äußerlich witzig und ruhig, innerlich jedoch leicht angebissen von Neid („Man ist nur ein Mensch…“) ertrug er bewegte Schilderungen aus dem alten Europa, mit denen nach und nach sämtliche Bands aus Portland aufwarten konnten, selbst die Freunde von Napalm Beach, die weder reich noch berühmt wurden, aber schon zweimal das Abendland sahen, Europa, soso… war’s nett drüben… hmhmaha… stand davon ab, den großen Greg Sage mit einer frisch bezahlten Gitarrensaite zu erwürgen und fegte mit Toody und ihrem Kind/Drummer Andrew Loomis durch die Songs von Dead Moon, der Krone seines Lebensweges, der Summe seiner schlechten Erfahrungen, und wartete auf THE DAY THATGOT OUT OF PORTLAND, Oregon. Das Logo von Dead Moon tragen Fred und Toody wie Brandzeichen, er im Gesicht, sie auf dem Arm. Wenn die Welt ihnen gegeben hat, was sie ihnen schuldet – eine Tour durch Europa –, werden sie klaglos zurückgehen, schließlich bleibt Portland die Stadt, die eine Bürgerinitiative aus drei Punks und (mutmaßlich) einem starrsinnigen alten Tankstellenbesitzer hervorbrachte, die sich zum Ziel gesetzt hatten, „Orygun“, den local Hit von Fred Coles kurzlebiger Country Band Western Front, zur offiziellen Staatshymne erhoben zu sehen. Und weil es neu ist, dort zu leben. Gestern war The Day That He Got Out Of Portland, heute sitzen Fred, Toody und Andrew in einem steinerweichend angenehmen Bistro in Groningen, und in Freds Augen spiegelt sich das Bild einer Kathedrale (deine erste Kathedrale, weißt du noch?), von deren Turm aus er Europa zu seinen Füßen liegen sehen will, nicht im übertragenen Sinn, einfach nur so. Seine Worte „that baby is real old“ sind der hübsche Song von einem, der schließlich erkennt, warum er Amerikaner geworden ist. Eine wilde kleine Familie in abgetretenen Schuhen, Tagelöhner auf Gigsuche: Fred erzählt Rodney-Dangerfield-Witze wie „Can I borrow one of your cigarettes? I left mine in the machine“, während ich seine Zigaretten aufrauche, Toodys ballendes heiseres Lachen beschwört ein Bild von ihr, wie sie mit ihren eigenen kleinen Händen ein Haus baut, Dosenbier kippt und ihrem verrückten und manchmal von düsteren Songwriter-Stimmungen heimgesuchten Mann den Rücken stärkt, und Andy, der mit nacktem Oberkörper und dieser anderen Art von Matte, wie man sie hat, wenn man nicht 64 angefangen hat, sondern viel später – eigentlich sieht er aus, als wäre er bei den Butthole Surfers, meinen Toody und ich – vorne am Bühnenrand zwischen beiden sitzt und Schlagzeug spielt. Andrew ist die eine verwandtschaftliche Beziehung zu Napalm Beach, deren schwerere, öligere Drogensongs noch von Snowhud + the Flowerpeople, einer gemeinsamen Band von Chris Newman und Andrew stammen. Der andere Zweig ist Sam Henry, Ex-Wipers-Drummer, der auch schon in Fred Coles Punkband, den Rats (aber davon später!), Schlagzeug spielte, und schließlich zu Napalm Beach kam. Die Holländer, die zum Zeichen ihrer Verehrung unausgesetzt Haschischplatten in Schuhgröße 43 darbringen, werden von Fred und Toody, den Bourbontrinkern, an den schweigenden Andrew verwiesen. Heute, im hellen Sonnenlicht, summt er zu K.C. & The Sunshine Band aus der Musikbox… Disco im Blut. In Hans Kesteloo, dem Chef des manchmal etwas glücklosen Sixties-Abglanz-Labels Music Maniac, haben sie wieder einen genialen Gönner gefunden, der sie in seinem sündteuren schwarzen Batmobil durch Holland fährt. (Fred: „Smoke it, Hans! No one goes faster in the wrong direction!“)

Die große Eigenart von Fred Cole ist seine Angewohnheit, aus einem Genre zu verschwinden und unerkannt in einem anderen wieder aufzutauchen, tausend Mal über sein eigenes Grab zu laufen und zu spüren, wie das Herz den charakteristischen Sprung machte, ohne einmal wirklich tot aufzuwachen. Dead Moon ist sicher seine beste Band seit Lollipop Shoppe, hingehauener Songstoff, halb-[35]wild und völlig verhungert, so abgemagert bis auf Haut und Knochen, daß dieses Tier, das normalerweise vor Menschen flüchtet, zum gefährlichen Angreifer wird. Und Fügung will es, daß das toteste aller Genres, Sixties Garage, Fred Cole endlich so weit in die Welt zurückholt, daß zum ersten Mal seit Vorunsererzeit jemand den Bogen von diesem seltsam kindlich und ungeformt wirkenden Sänger – die ersten Fanbriefe ließen sich zu recht begeistert darüber aus, das diese junge, unverbrauchte Band dem Genre ganz andere, niedagewesene Qualitäten hinzufüge, wie man sie eben nur einmal in seinem Leben… eben, genau – zu dem nicht weniger seltsamen, wenn auch samtigeren Sänger der Teenidole Lollipop Shoppe schlug.

Das erste Mal, daß jemand ernsthaft die Frage stellte „Where were you in.,. 82?… 75?… 68?“ Fred Cole steht in reiner Weste vor uns, obwohl er sich nie die Mühe gemacht hat, sich ein Lätzchen umzubinden.

Zipper war ein Hard Rock Experiment in Motörheadartigem Cred-Style, zu schnell und krachig für ihre Zeit (unbeabsichtigt, natürlich), KingBee (mit Toodys kleinem Bruder) machten 76 eine lupenreine Grunge-Single, ein schweres, grobes Mörderstück mit den Songs „Zipgun“, „Hot Pistol“ und „Headache“, für das man vor ca. 2 Jahren seine Killdozer-Edition verkauft hätte, traten im Vorprogramm der Ramones auf, wurden sogleich als zu lahm und von gestern verworfen und durch die Rats ersetzt, das bis Dead Moon langlebigste (drei LP-Längen) und lustigste Abenteuer mit einem traurigen Unterton.

„Mit den Rats hatten wir ein ganz gutes Publikum, bei der ersten West Coast Punkwelle hatten wir immer so 200 oder 300 harte Fans, aber weiter ging es nicht. Es kamen nie neue dazu, und unsere alten wurden wir nur los, wenn sie starben oder heirateten. Ein paar Jahre lang hatten wir wirklich Spaß. Wir hatten einen guten Draht nach Vancouver in Kanada, das ist ja nicht weit von uns, und die Typen da drüben waren echt tolle Nummern. Dieser Billy – er spielte bei den „Scissors“ – war toll. Er lebte in einem großen Lagerhaus, fünf Stockwerte hoch. In der obersten Etage feierten wir wilde Partys, und wenn die Bullen kamen, stellten wich einfach alle auf die Treppen. Kein Durchkommen. Schließlich wurde es ihnen zu blöd. Es gab da einige nette Abende, mit DOA, den Subhumans und andere Punksbands aus der Gegend. Sie wussten auch nichts über mich, der ein oder andere hatte vielleicht mal was von Zipper gehört, aber ohne das mit mir in Verbindung zu bringen. Nur meine Mon weiß alles über mich.“

„Ich spielte zum ersten Mal Gitarre, vorher hatte ich ja nur auf der Akustischen rumgezupft, wenn ich Songs schrieb, und sonst gesungen. Toody lernte Baß spielen. Und Rod (Rat), unser erster Drummer, war wundervoll. Ein Bauerbeiter, der eines Tages im Laden stand und sagte ‚Ich kann auch nicht Schlagzeug spielen“. War so in unserem Alter. Wir gaben ihm ein Kit und spielten alles so schnell wir konnten, und es ging uns gut. Eines Nachts steckte sich Rod dann die Pistole in den Hals, und danach war es irgendwie nicht mehr dasselbe, wie man sich denken kann. Wir machen noch zwei LPs, eine mit Sam Henry und eine mit einem anderen Drummer. Louis Samora (machte dann mit seiner eigenen Band, den Jackals, weiter), und gaben es schließlich auf.“

Rückblickend kann man sich schwer vorstelle, wie die Rats sich inmitten einer blühenden Szene von richtigem Punkrock ausgenommen haben mögen, aber heute klingt die in haarsträubende Klebeschnipsel-Orgien (offensichtlich vorbildhaft für die Gestaltung der deutschen Lizenzausgaben von Dead-Moon-Platten) verpackte Mischung aus eher New York Dolls/B 52s (und den Goldenen Zitronen)  verwandten schnippischen New Wave (oder als was sonst bezeichnete man damals eine Band, deren Sänger der zittrig-klagenden Schule der Vorzug gab?) mit Toddys schönen „Tomboy“-Stil-Vocals (die auf „Defiance“ endlich wieder zum Zuge kommen) sehr anziehend. Was er damals nicht war, ist er mit Dead Moon geworden – Original Punk Rock – aber wie immer war er Fred Cole, das was er der Welt zu geben hat, bis nichts mehr übrig ist, bis er dahin muß, wohin sein Hutband vorangegangen ist (in den Magen einer Ratte. Den Weg alles Irdischen halt).

Kein Rock-Chamäleon, nur Soul Cole – Cole to the max. Um nicht verloren zu gehen, hinterlässt er sich selbst Spuren – eine seiner Bands, Underground Hailroad, ist nach einem Song von Lollipop Shoppe benannt (was hätte man damals in Interviews sagen können? „Ich bin stark beeinflusst von mir“?), „Defiance“, der Titel der neuen LP, ist ein Rats-Song, und „Unknown Passage“, ein Song auf dieser LP, ist der Titel der letzten LP. Unvergesslich – sozusagen.