Die Neue Ehrlichkeit

Essay
zuerst erschienen im Oktober 2014 auf editonline.de

Kein Sprachkunstwerk, sondern unverstellt vermittelte Erfahrung

Als Hans Unstern, der damals noch Jonas Pessler hieß, das erste Mal seine Stimme von Band hörte, damals 17, war er verstört. Er hatte einen David Bowie-Song [Quicksand] in das Aufnahmegerät seiner vier Jahre älteren Schwester gesungen, ihres Zeichens Gitarristin in einer Girlie-Punk-Band, den Poster Dolls, und entscheidend für die von konventionellen Männlichkeitsattributen unbeeinflusst verlaufene Entwicklung Hans Unsterns verantwortlich. Beim Singen des Songs krümmte und verdrehte sich der junge Hans U. in mimetischer Ekstase „Iʼm sinking in the quicksand of my thoughts“. Wer seine eigene Stimme von Band hört, nimmt eine Stimme wahr, die der gewohnten Selbstwahrnehmung nicht entspricht. Dafür gibt es rationale Erklärungen: die Wahrnehmung der eigenen Stimme ist ein Hybrid aus dem von außen wahrgenommen Schall, der auch für die anderen hörbar ist, und der Innenwahrnehmung des mitschwingenden und mitvibrierenden Körpers. Diese Komponente fällt bei einer Aufnahme der eigenen Stimme weg und lässt sie fremd klingen. Neben dieser Erklärung ist die Stimme aber auch das Körperlose, das zunächst unbeeinflussbar aus dem Inneren kommt, und so quasi für eine Unabänderlichkeit, also Wahrheit steht. Das heftige Erlebnis Hans U.ʼs bestand demnach darin, von dieser Wahrheit betrogen zu werden: die erlebte krasse Diskrepanz zwischen Selbst- und Außenwahrnehmung. Die Sicherheit, mit der er meinte, sich selbst einschätzen zu können, brach. Er konnte sich nicht mehr auf sich selbst verlassen. Hans U. dazu in einem Interview [Spex 04/13]: „Insgesamt geriet mein gesamtes Gebäude an Erzählungen über mich selbst ins Wanken. Ich wusste nicht, wie viel von dem, das ich dachte über mich zu wissen, ich mir eigentlich bloß ausgedacht hatte, grobkörnig zusammengefasst, geschmirgelt und modifiziert, um es in die Schablone einzupassen, die ich bin und die ich mir gleichzeitig konstruiere. Alles erlogen. „Ich lüge“, musste ich immerzu denken. Das Schlimmste war, ich hatte keinen Maßstab, an dem ich den Lügengrad bestimmen konnte. Ich konnte mir nur blauäugig glauben oder mir misstrauen.“ Diese Stimmaufnahme lässt sich als ein Schlüsselereignis der künstlerischen Entwicklung Hans Unsterns beschreiben. Nach dem Zusammenbruch der Bilder, die er selber von sich hatte, dem plötzlichen Wissen, dass er ihnen nicht entsprach, sowie der anschließenden Erkenntnis, dass ihm auch das Werkzeug fehlte, jemals eine solche Übereinstimmung beurteilen zu können, blieb ihm keine andere Wahl, als nicht mehr daran zu denken.

„Je echter mein Lispeln, desto weniger wird es meins. Je echter meine Stimme, desto weniger ist sie meine, meine, meine. Meine Worte aus deinem Mund. Ich dachte ich hätte die geklaut. Hätte ich bloß gelogen. Hätte ich bloß keinen Finger gerührt.“

[Hans Unstern, „Bea Criminal“]

Die Ununterscheidbarkeit von Fiktion und Dokumentation

„Der heutige Fernseh- und Kinofilm vermischt Dokumentation und Fiktion – bis hin zur Umkehrung ihrer Funktionen: Dokumentation wird fiktiv, Fiktion hat dokumentarischen Ausdruck”, sagt Alexander Kluge, kratzt sich am Kinn und starrt Richtung Fenster. Von seinem Kinn stehen einzelne, wenige Millimeter lange Bartstoppeln. Durchs Alter scheint sein Bartwuchs zurück gegangen, vielleicht war er niemals voll. Der Öffentlichkeit jedenfalls ist seit Langem nur sein glattrasiertes Gesicht bekannt. Derselbe Satz Kluges findet sich in einem Essay, den er mit 43 Jahren schrieb, u.a. ist er veröffentlicht in der Essaysammlung „In Gefahr und größter Not bringt der Mittelweg den Tod“. Was damals noch filmwissenschaftliche Auseinandersetzung war, ist heute zur Epistemologie geworden.

Die Ursache liegt in der Zukunft

„Die Ursache liegt in der Zukunft“ steht in handgeschriebenen Großbuchstaben auf dem 5m breiten Banner, die Nähte geben es als aus Bettlaken zusammengenäht zu erkennen. Es wird von den in der ersten Reihe dicht Nebeneinanderstehenden gehalten, auf Brusthöhe, sodass es unten mit dem Asphalt abschließt. Eine Großdemo von geschätzt 30.000 Menschen schiebt sich Richtung Akademie der Künste. Das Zitat, zum Slogan geworden, wiederholt sich auf vielen anderen Bannern und Schildern. Andere sind beschriftet mit „Ehrlichkeit“, synonymen oder bedeutungsnahen Begriffen: Wirklichkeit, Echtheit, Authentizität. Immer wieder sind Bilder vom gewählten Propheten der Bewegung, dem toten Aktionskünstler und „Genie“ Christoph Schlingensief, an Latten befestigt, über die Masse hinweg sichtbar.

„Die Ursache liegt in der Zukunft“ ist ein Zitat Schlingensiefs aus einer Aktion, lange bevor er zur Kultfigur geworden, und, wie zahlreiche kunsthistorische Schriften belegen, auch bevor er mit seiner Kunst und öffentlichen Auftritten dezidiert, wenn auch noch unformuliert, zum Verfechter der Neuen Ehrlichkeit avancierte. Das Zitat, welches ursprünglich auf Joseph Beuys zurückgeht, stammt aus der 6. Folge von Schlingensiefs U3000 vom 11.1.2001: „Es gibt kein zurück mehr! BSE, Uran, Joschka Fischer, Eichel. Denken Sie immer daran: Die Ursache liegt in der Zukunft!“ Nach den Lehren der Bewegung ist Schlingensiefs spätere Kunst, besonders der performative Umgang mit der Schwäche seiner Krebskrankheit in der Öffentlichkeit, selbst die Wirkung, die in die Zukunft zeigend ihre eigene Ursache, die Neue Ehrlichkeit, erschaffen hat. Schlingensief war ein prophetisches Symptom.

[Transkription einer Interview-Sequenz von Christoph Schlingensief mit Katrin Bauerfeind im Maxim Gorki Theater, Herbst 2008, kurz nach seinem ersten Krebsschub. Das Interview wurde später zusammen mit Interviews anderer Künstler unter dem Titel „Kulturschaffende sind Systemillustratoren“, ein Zitat von Jonathan Meese war titelgebend, im Merve-Verlag veröffentlicht:]

„Dieses Gefühl von Sicherheit, ich wunder mich, überall sind ja nur sichere Leute zu sehen, in der Politik, in der Kultur, alle sind ja so, reden ganz klug, aber ich hab ja soʼn Schock gekriegt, dass man ganz unsicher wird, man kann sich nicht mehr trauen, man traut dem Körper nicht mehr, man traut sich selber nicht mehr. Ich erwarte auch von Kulturschaffenden, dass sie mal berichten, wo sie in ihren persönlichen Zweifel kommen. Von Politikern habe ich das schon lange aufgegeben, von nem Politiker ist nichts zu bekommen. Das sag ich, weil da auch der Dreh von der Ehrlichkeit im Alltag zur Kunst klar wird. Wenn man mal ne Minimaldefinition versucht, was bei der Rezeption von guter Kunst passiert, dann ist das doch, dass man sensibilisiert wird. Vielleicht auch ohne Auswirkungen und nur für den Moment und auch nur für das eine bestimmte Thema, vielleicht auch nicht mal für ein bestimmtes Thema und nur generell. Aber so generell, dass ich kurz neben dem Alltag und der Gesellschaft stehe, die ich für den Moment nicht mehr als natürlich empfinde. Das ist ja auch ne gute Haltung, mit der man sich durch sein Leben bewegen kann, das erstmal nicht als veränderbar oder anders möglich zu empfinden und deshalb Haltungen und Verhaltensweisen entwickeln zu können, mit denen man einfach erstmal gut überleben kann, ohne sich ständig Fragen zu stellen und nachts auch schlafen zu können, nur passieren dann andere Automatismen, dass ich mich unhinterfragt einfach einem bestimmten Lebensmodell anschließe. Durch so einen Moment mit der Kunst aber, und natürlich ist es nicht nur die Kunst, mit der so ein Moment möglich ist, fängt man kurz an, die Möglichkeit solcher ganz grundsätzlichen Fragen zu sehen und vielleicht nicht das, was automatisch ist, hinzunehmen oder eine ganz andere Einstellung oder ein ganz anderes Lebensgefühl zu entwickeln. Das kann die Kunst nur, weil sie authentisch ist und keinen äußeren Gesetzen gehorcht. Das ist ja auch ungefähr, was Beuys mit seiner Sozialen Plastik meinte: Einerseits an allem, was gesellschaftlich ist, also menschengemacht, zu solchen Momenten zu kommen bzw. andererseits alles, was man macht, mit dieser künstlerischen Haltung zu tun, dann ist jeder ein Künstler. Auf jeden Fall hat man da ja den Zweifel, eine Schwäche, die wir eben als so wichtig für Authentizität erklärt haben. Denn, wenn ich immer nur dabei bin gut rüberzukommen und erfolgreich, schön, selbstbewusst, sicher und so weiter zu wirken, dann passiert nichts, ich lüge, bin unauthentisch und komme bestimmt nicht zu so einem sensiblen Kunstmoment, weil ich ja nur dabei bin, auf fremde Gesetze zu hören. Deswegen verlange ich gerade von den Kulturschaffenden, sich insofern authentisch zu verhalten, als dass sie durch dieses Zeigen von Zweifel und Unsicherheit dieses verfälschte Bild durchbrechen und das vormachen.“

Second-Hand ist in, Vintage hat Konjunktur. Nicht nur in Berlin faden immer neue Läden ins Erscheinungsbild der Hip-Viertel hinein. Die Preise zeigen, was Originale ihren Käuferinnen wert sind. Aber ist der einzige Grund für den Second-Hand-Kauf die Originalität?, haben wir uns gefragt und deshalb stehe ich heute morgen, ich beschreibe das mal für die Zuschauer zu Hause, in der Boxhagener Straße in Berlin-Friedrichshain, vor einem kleinen Second-Hand-Laden: auf dem Bürgersteig der Torso einer Schaufensterpuppe, umhängt mit einer Federboa in rot und einer langen Kette aus dicken Holz-Perlen, die sich von der Mitte aus beidseitig verjüngen, obendrauf drapiert ist ein Strohhut mit breiter Krempe und verschiedenfarbig eingefärbtem Stroh, dominant sind Türkis und Heidelbeersaft-Rot, darauf filigrane rote Plastikzierde. Direkt daneben eine rollbare Kleiderstange, mit Kleidung, die einem bunt entgegen leuchtet. Gemusterte Blusen, Blazer mit ausgestellten Schulterpolstern, lange Kleider. Ich öffne die Tür zum kleinen Laden, ein Türglöckchen bimmelt.

„Hallo! Guten Morgen!“

So die Kamera wackelt jetzt noch mal über den Innenraum des Ladens, dreht sich um sich selbst, noch mal schräg an meinen Gesicht entlang und raus. Schnitt.

Passantin 1: „Wenn ich meine Lederstiefel hier kaufe, dann hat die nachher nicht jeder Zweite an.“

– „Was heißt das?“

Passantin 1: „Hm, ich bin irgendwie origineller.“

Sie verzieht das Gesicht, den Mund breit auseinander, in einer Comiczeichnung wäre er ein waagrechter Strich, ganz von der einen zur anderen Seite durchʼs Gesicht. Die Kamera schwenkt noch mal auf mein komisch guckendes Gesicht, verzogen zur selben Grimasse.

Schnitt.

Verkäuferin: „Die Wenigsten kommen und wissen genau, was sie wollen, ich meine, die Wenigsten suchen etwas Bestimmtes. Sie gucken, was es zu entdecken gibt.“

Schnitt.

– „Der Blazer sieht ja soʼn klittzeklittzekleines bisschen daneben aus, oder?“

Passantin 2: „So war das in den 80ern nun mal Mode. Wenn dʼ nen echten Blazer haben willst, kannste halt nicht erwarten, dass der so aussieht wie von H&M.“

– „Lässt du ihn noch ändern?“

Passantin 2: „Ich denke …, na guck, hier, die Ärmel hier sind ein bisschen zu lang und hier in der Taille müssten noch so zwei drei Zentimeter.“

Schnitt

Passantin 3: „Nee, ich trag schon immer Second-Hand. – Wie nennste das? Vintage? Is doch Quatsch.“

Schnitt.

Experte: „Die sogenannten Originale, also, die im Schrank oder auf dem Dachboden aufgehobenen Kleidungsstücke der 60er, 70er, mittlerweile vielleicht auch der 80er, der sogenannte Vintage, vermittelt der Käuferin oder auch dem Käufer einen anderen Grad von Echtheit, ich möchte fast sagen: Realität. Den Kleidungsstücken haftet Geschichte an, Bilder aus Godard-Filmen werden assoziiert. Wer die Kleidungsstücke trägt, kann an dieser Unabänderlichkeit partizipieren. Im Gegensatz dazu wirken die an der Stange produzierten Kleidungsstücke künstlich, austauschbar, eher ausgedacht und konstruiert, als wirklich und realistisch.“

Schnitt.

Eines der allerersten Symptome:

„If you want to see what I really look like, go watch the show that I make every single week.“

Lena Dunham ist 27 und erfolgreich als Autorin, Regisseurin und Produzentin einer Serie, in der sie die Hauptrolle spielt. Der Plot geht so: Eine junge Frau, Hannah Horvath, gespielt von Lena Dunham, lebt in New York und verarbeitet ihre Erlebnisse in Essays. Der Rest der Handlung sind Lena Dunhams Erlebnisse, die sie in ihrem Drehbuch verarbeitet. Zumindest so ungefähr, denn Lena Dunham ist erfolgreich als Autorin, Regisseurin und Produzentin einer Serie, in der sie die Hauptrolle spielt, Hannah Horvath nicht, sie jobbt in einem Café. Wegen dieser quasi-wahren Parallele von Lena Dunhams realen Leben und der Geschichte, die sie mit der Serie erzählt, oder vor allem wegen Lena Dunhams Körper, der ungeschönt und oft nackt gezeigt wird und wirklich nicht dem gängigen Schönheitsideal entspricht, weder dem der magersüchtigen Models, noch der nicht mehr ganz so sehr am Rande zum Hungertod stehenden aktuellen Modelgeneration, ist in Bezug auf die Serie immer wieder die Rede von Authentizität oder Realismus. Mehr noch: Dieser gezeigte authentische Körper erlaube insbesondere jungen Frauen, die die Serie anschauen, zu sein, wer sie sind, mit all ihren Makeln. Wer hier von Authentizität redet, tut das nicht im Sinne von ehrlich, eins-zu-eins-wiedergegeben oder realistisch, sondern im Sinne von bewusst gezeigter Schwäche. Die kann aber genauso mediale Strategie sein [und wird es spätestens bei der 3. Staffel, drei Emmys und einem Golden Globe Award].

Lena Dunhams nicht so perfekten Körper zieren umso perfektere, nämlich einzigartige und selbstbewusste Tätowierungen, Illustrationen aus Kinderbüchern. Was ihren Körper kurz an autonomer Authentizität umwehte, ist nur ein Lüftchen, das nach der Kohle riecht, die sie mit ihrer Serie verdient. Wieso sollte eine dickliche Frau, die im Fernsehen als Idol auftritt, den Zuschauern erlauben, zu sein, wie sie sind und nicht eher dazu anstiften jetzt auch wie sie Second-Hand rumzulaufen und sich großflächig Tattoos stechen zu lassen? [Aus: Die Zeit, 22/2014, Dossier „Inszenierte Echtheiten – Wer glaubt das noch?“]

Ein Ausschnitt aus einem Theaterstück

der Jungdramatikerin Mente Etna (*1988)

[…]

„Das sieht bei mir gar nicht so echt aus, wie bei Lena Dunham.“

„Du meint Hannah Horvath?“

„So heißt doch bloß die Rolle.“

„Gut.“

„Und?“

„Hä?“

„Das Tattoo?“

„Ist ja nicht dein Tattoo. Dann kannʼs auch nicht echt aussehen.“

„Hab ich auch schon gedacht. Was meinste? Ich dachte, ich könnte mir vielleicht stattdessen so kleine

Pünktchen, weißte, wie so Ornamente, so hier so nebenʼs Auge stechen lassen.“

„Welche Farbe?“

„Weiß nicht. – Weiß?“

[…]

Bitte nicht filmen!

Das Fernsehbild zeigt großflächig Orangetöne, die ineinander verschwimmen und schwarze Inseln umgeben. Sie füllen das gesamte Bild aus. Jetzt verstärkt sich der Schärfegrad, titscht noch einmal in die Unschärfe der anderen Auflösungsrichtung, wird scharf. Aus dem Schwarz bildet sich ein Zusammenhängendes mit fünffingriger Küstenlinie, mit einer klaren Linie der Orangetöne, ca. 2 mm breit, abschließend. Durch die Finger wird im Hintergrund ein Körper sichtbar, dunkelrotes Kostüm, und ein Gesicht. Es ist nach unten geneigt, aber leicht zur Kamera gewendet. Strähniges, aschblondes Haar, kinnlang mit Pony, fällt ins Gesicht. „Nicht filmen! Bitte nicht filmen!“ Dazu das Klacken der Schuhe mit leichtem Absatz auf dem Laminatboden. Die Kamera erhascht die Schulter, die Profilansicht des Körpers, Gesicht immer noch zur Kamera gewendet, leicht geneigt, die Hand noch immer auf der Linse.

[Videoinstallation desselben Titels, Dorothee Vau, Katalog der Sammelausstellung „Neue Ehrlichkeit“, Hamburger Bahnhof, 2015]

Das Manifest der Neuen Ehrlichkeit

„Die Neue Ehrlichkeit ist kein Rückwärtssprung in eine Zeit vor Baudrillard. Die Neue Ehrlichkeit registriert die Sehnsucht nach Authentizität und erkennt die Strategien, die zu entsprechenden Effekten führen. Diese am eigenen Beispiel offenzulegen, ist Authentizität im Sinne der Neuen Ehrlichkeit.“

[zitiert aus: Jonas, F.: „Zur Neuen Ehrlichkeit. Eine Theorie der Authentizität“. Berlin, 2015 ]

1. Es gibt Zeichen, die für etwas stehen

2. Es gibt Zeichen, die sind, was sie sind, weil sie offenlegen, was sie sind

3. Das ist Authentizität

4. Authentizität und Ehrlichkeit sind synonym

5. Authentizität schließt eine Strategie aus

6. Authentizität schließt Schwäche ein

7. Eine transparente Strategie ist eine Schwäche

8. Manchmal wird Schwäche zur Stärke

9. Authentizität gibt es nur situativ

[ebd.]

„An keiner Textstelle in Frank Jonas Publikation „Zur Neuen Ehrlichkeit. Eine Theorie der Authentizität“ wird der Authentizitätsbegriff historisch problematisiert, stattdessen macht die Schrift auf theoretischer Argumentationsebene, in Aufmachung und Gestus implizit die großspurige Behauptung: Es sei wieder möglich, emphatisch von Authentizität zu reden, ohne sich dem Vorwurf theoretischer Inkonsistenz auszuliefern. Authentisch ist, nach Jonas Definition, jemand [oder etwas], das seine eigene Strategien der Selbstdarstellung absichtlich offenlegt. Dabei ist nicht zu sehen, wo der Unterschied zu einer bloß ins Lebenspraktische gewandten Aufforderung zur Dekonstruktion liegt. Ähnlich wie die Dekonstruktion ist die Neue Ehrlichkeit inkonsistent, da jedes Offenlegen qua strategischer Akt wiederum offengelegt werden muss ad. inf. Wo die Dekonstruktion jedoch sich kritisch auch gegen sich selbst wendet und Derrida von dem nicht aufzulösenden Rest Metaphysik spricht, der jedes verständliche Sprechen erbarmungslos immer wieder einholt, deshalb Dekonstruktion nie an ein Ende kommen kann, macht die Neue Ehrlichkeit halt und setzt an diese Stelle die Authentizität, einen ewiger Wert, der sich mystisch ereignen soll.“

[Aus: Christina Schmitt: „Die Neue Ehrlichkeit. Ein New Age-Versprechen“, Merkur Nr. 809 ; 10/16]