Jeff Bridges – Wie hart muss man sein, Dude?
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Nachmittag im lauschigen Santa Barbara. Hier lebt Jeff Bridges, 61, eine Stunde weg von Paparazzihausen, genannt Los Angeles. Bridges gilt als Hollywood-Royalty, spätestens seit seiner Rolle als abgehalfterter Countrysänger in „Crazy Heart“, für die er den Oscar erhielt. Bridges ist schon lang dabei. seit Jahrzehnten engagieren ihn Regisseure, wenn sie einen lakonischen, lässigen Mann besetzen müssen, dem sein Ego nicht über alles geht. Bridges hat auf der Leinwand keine Sekunde die Ausstrahlung eines stumpfen Alpha-Tiers. Überhaupt ist er eher: ein netter Kerl. Seine Pressefrau erzählt die Geschichte, wie er ein Ölbild ihrer toten Katze für sie malte. Die Katze starb dummerweise am Tag, an dem Bridges für den Oscar nominiert wurde. Jeff hatte ein schlechtes Gewissen. „Er malte das Bild, nachdem er 20 Stunden im Schnee mit den Coen-Brüdern gedreht hatte.“ ein heiliger in Hollywood, tatsächlich. Bridges steht auf, wenn man den Raum betritt, und reicht einem die hand. Das macht kaum ein anderer Hollywoodstar. Die meisten bleiben sitzen, süffeln noch mal an ihrem Getränk und schauen dem Interviewer erst dann in die Augen, wenn es sich nicht mehr vermeiden lässt.
Vom ersten Moment an lächelt er sein Grummelbärgrinsen. Bridges erlebt gerade den Höhepunkt seiner langen Karriere. Das kann man ihm ansehen. Und er mag es bequem: Er trägt ein hellblaues Hemd, Jeans, weiße Frotteesocken und tatsächlich diese luftdurchlässigen Crocs-Sandalen.
Dieser Mann, der aussieht wie ein Kindergärtner aus einem Tarantino-Film, mag schwerreich sein, doch sein wahres Wesen ist der Dude die Traumrolle in „The Big Lebowski“. Bridges streckt seine Arme hinter den Kopf, sodass sein Hemd über seinen Bauchansatz rutscht, und grinst. Typische Dude-Pose. Wie soll ein Mann mit dieser natürlichen Gabe zur Entspannung einen Westernhelden spielen? in „True Grit“ tut er es: Bridges gibt den schießwütigen Rooster Cogburn, im Original von 1969 von John Wayne dargestellt. „Wir möchten mit Ihnen darüber reden, wie hart ein Mann sein muss.“
Ratloses Schweigen.
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Mister Bridges, Werbeexperten behaupten, in schweren Zeiten steht den Menschen der Sinn nach harten Typen mit grauen Bärten, Falten und was Knorrigem im Gesicht. Typen wie Ihnen.
Entschuldigen Sie bitte, sind Sie irre? Sie wollen mit mir über Härte reden? Weil mein Bart grau ist und ich nicht aussehe wie 16? Sagen Sie ihrem Chef, er hat aufs falsche Pferd gesetzt.
Wieso? In „True Grit“ spielen Sie einen schießwütigen Mistkerl.
Trotzdem habe ich keinen Schimmer, was ein sogenannter harter Typ ist. Ich weiß nur, dass viele dieser ganz, ganz harten Jungs eine sehr feminine Seite haben. Und die macht sie doch erst richtig toll. Ohne diese Seite wären sie lächerlich. Schauen Sie sich Steve McQueen an. Oder eben John Wayne. John Wayne war fürsorglich. Manchmal stand eine Kuh in seiner Hotelsuite, falls seine Gäste Milch im Kaffee wollten. Sehen Sie, das hat was Mütterliches. Das mag ich. Und haben Sie mal gesehen, wie Wayne lief? Wie er sich bewegte? Das ist ultrafeminin. Und er war ja so was von glatt rasiert.
Rooster Cogburn ist aber ein undurchsichtiger Sheriff, der einem 14-jährigen Mädchen hilft, den Mörder seines Vaters zu finden. Sie sahen in einer Rolle nie finsterer aus. Und härter.
Meinen Sie jetzt wieder meinen grauen Bart?
Nicht den Bart, Ihre Augen. Sie sind schmal, fies zugekniffen. Sie schauen wie jemand, der nicht lang fackelt.
Ich bringe im Film niemanden um, den ich nicht umbringen müsste. Ich bin ja kein Killer. Ich drücke nur ab, wenn es unbedingt sein muss. Ich muss Rooster in Schutz nehmen. Er muss ja so sein, um zu überleben. Er säuft, flucht, erschießt alles, was nicht bei drei auf dem Baum ist. Und John Wayne spielte oft nur seine eigene Idee von John Wayne. So wie er sich gern sah. Eben als harter Junge. So jemand bin ich nicht. Ich hab mich nicht mal als Junge geprügelt, das hab ich alles meinem Bruder Beau Bridges überlassen. Der war der Schläger. Ich bin jemand, der sich verbiegt. Auch in meinen Rollen. Ich glaube, auf diese Weise kommt man weiter als Mann.
Was meinen Sie mit: verbiegen?
Ich finde, man sollte nicht 24 Stunden derselbe Typ Mann sein. Man muss verschiedene Charaktere annehmen, je nach Situation. Das Gleiche gilt bei mir für meine Karriere. Ich wollte niemals nur den gleichen Typen spielen und immer das gleiche Gesicht vor der Kamera machen. Den harten Hund zu spielen fand ich sogar langweilig.
Sie müssen das doch genießen – wenigstens ein bisschen. In der rechten und linken Hand eine Knarre, rauf aufs Pferd und dann ab im Galopp. Sie sehen ganz beseelt aus auf dem Gaul.
Ich schwöre, ich bin der netteste Hippie, den sie sich vorstellen können. Und mein Ego ist klein. Mein Vater Lloyd Bridges hat uns in dieser Richtung erzogen. Er sagte: „Schaut euch die Underdogs an, nicht die Coolen oder die Reichen.“ aber in den Zeiten, in denen „True Grit“ spielt, herrschte Gesetzlosigkeit. Jeder tötete, wen er wollte, und die USA waren ein völlig unkontrolliertes Land. Natürlich haben wir heute unsere Version davon. Die Zeiten waren schon mal einfacher. Und was „True Grit“ erzählt, gilt auch für heute: man muss die Dinge bis zum Schluss durchdenken und nicht irgendwo liegen bleiben, wenn man hingefallen ist. Das allerwichtigste für Männer ist aber, trotz aller härte niemals zynisch zu werden. Und das ist die Kunst, finde ich. es kann in einen Kampf ausarten, den du ständig mit dir selbst führst. Jungs, da sitzen wir alle im selben Boot.
Was empfehlen Sie, um den Kampf zu gewinnen?
Buddhismus.
Im Ernst?
Mein voller Ernst.
Wo ist Ihre Meditationshausnummer? Einmal in der Woche? Fünfmal am Tag ?
Immer, wenn ich mich runterbringen muss. Wenn ich nervös bin. Oder stur.
Und, klappt es?
Ja, ich bin ein spiritueller Typ. Ich habe mich immer für Dinge interessiert, die ich nicht sofort verstehe. Das ist ein gutes Training. Buddhistische Lehrer sagen mir etwas. Sie sprechen mich an. Nur vergesse ich manchmal zu meditieren.
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Und dann? Haben Sie jemand, der Sie runterbringt?
Früher war es meine Mutter. Wenn ich morgens zum Drehen aus dem Haus ging, sagte sie immer: „Hab Spaß, nimm es nicht zu ernst.“ Das fand ich eine gute Art, die Welt zu betrachten. Heute sagt mir meine Frau das Gleiche, bevor ich zur Arbeit fahre.
Moment, Ihre Mutter und Ihre Frau geben Ihnen den gleichen Ratschlag? Und Sie befolgen ihn auch noch?
Warum nicht? Meine Mutter war sensationell. Ein Mann sollte seine Mutter lieben, na ja, zumindest mögen. Sonst steht es nicht gut um ihn. Er wird ein mieser Typ. Sie merken so was schnell. Genauso, wie man besser in Deckung geht, wenn Frauen über ihren Vater lästern.
Erste Erinnerung an Ihre Frau?
Ich sah sie zum ersten Mal 1974 in Montana. Susan hatte gerade einen Autounfall hinter sich. Sie hatte zwei Veilchen und eine gebrochene Nase, aber das störte mich nicht. Ich wusste, sie wird eines Tages großen Einfluss auf mich haben.
Hat sie Rezepte gegen Ihre Schwächen?
Absolut. Aber welche meinen Sie?
Sagen wir mal: gegen das übliche Selbstmitleid von Männern?
Da kann sie auch nicht viel machen. An guten Tagen schaue ich in den Spiegel und lache mich über den Idioten tot, den ich sehe. An schlechten Tagen bin ich wahnsinnig selbstmitleidig. Oder habe schlicht Angst. Ein bisschen Angst ist doch gut. Setzt Adrenalin frei. Ich versuche, mein Angstlevel möglichst niedrig zu halten, sagen wir mal, durchschnittlich liegt es bei 30 Prozent. Plus den Erwartungen an mich sind wir bei 50 Prozent. Trotz Buddhismus. Die Angst ist ein Freund. Sie kommt immer mal wieder vorbei. Und wenn sie dann herumsteht, müssen Sie lässig bleiben – und eben nicht zu hart sein. Sie müssen es regelrecht lustig finden, dass die Angst da ist.
Man meint, den Dude aus „The Big Lebowski“ zu hören. Greifen Sie als Selbstschutz manchmal auf seine Coolness zurück?
Der Typ hatte jedenfalls ein paar Lösungsangebote für Männer parat, das ist mal klar. Er war eine männliche Schlampe. Aber immer gut gelaunt.
Der Dude? Eine Schlampe?
Na, hören Sie, er ging im dreckigen Pyjama in den Supermarkt und hatte Milch vom White Russian im Bart kleben.
Der Mann war auf jeden Fall ein großer Hit in Europa. In den USA zunächst allerdings nicht. Die amerikanischen Männer können mit einer solchen Figur nicht so viel anfangen. Aber irgendwann haben sie verstanden, welche Freiheit der Dude in seinem Leben hat. Inzwischen werden in den USA sogar Big Lebowski-Partys veranstaltet.
Ich bin sogar mal auf einem solchen Event aufgetreten und hatte meinen großen Beatlesmoment, als dort 1 000 Lebowskis vor mir standen: ein Meer aus Dudes! Einige hatten Bowlingkugeln dabei, andere vorsichtshalber seit Tagen nicht geduscht.
John Wayne würde den Dude hassen.
Ja, aber der Dude kann sich gehen lassen, und das wollen viele Männer. ich auch. Und die harten Jungs bewundern Typen wie den Dude heimlich, weil er zu sich selbst steht. Mein Lieblingsbeispiel ist Quentin Crisp. Das ist dieser Autor und Exzentriker, der in vollem Make-up herumlief und einfach sehr, sehr schwul war. Sie können sich vorstellen, was der alles aushalten musste. Aber er sagte: Leute, so bin ich, wenn ihr das nicht mögt, dann fickt euch. Und so ist der Dude auch. Er gehört sich selbst. Er kifft, er säuft, er rasiert sich nicht. Ich kann den Dude verstehen.