30.9.

Das Deutsche Bienen Journal aus dem Bauernverlag landet im Briefkasten. Bestellt hatte ich es nicht. Ob es sich um eine versehentliche Zustellung handelt oder um eine gezielte Wurfsendung, kann ich nicht feststellen. In der Oktoberausgabe geht es um die Vorbereitungen für den Winter. Insbesondere wie man die Bienenstöcke vor dem Eindringen von Mäusen schützen kann (durch Anbringen von breiten Plastikkämmen vor den Einflugfenstern der Bienenstöcke), aber auch um die Gefahren für die Bienengesundheit, die durch unkontrolliertes Freizeitimkern auf die Bestände der im Verband organisierten Imker drohen. Insbesondere in Berlin, wo, das stelle ich anhand der weiter hinten publizierten Geburtstagsgratulationsliste fest, erstaunlich viele Frauen und Männer diesem schönen Nebenerwerb nachzugehen scheinen. Der Vorsitzende des Berliner Imkereiverbandes Berlin, Dr. Benedikt Polaczek, schreibt:

»Liebe Imkerinnen und Imker, nach meinem Beitrag für das Septemberheft muss ich erneut auf das leidige Thema Faulbrut zurückkommen. In Steglitz-Zehlendorf wurde jetzt ein dritter Sperrbezirk eingerichtet. In diesem Bereich war die Faulbrut schon einmal – bis 2014 – nachgewiesen worden. Danach war der Bereich bis jetzt frei von dieser gefährlichen Tierseuche. Außerdem mussten die Grenzen des bereits eingerichteten Sperrbezirkes in Rudow bis in den benachbarten Stadtbezirk Treptow-Köpenick ausgeweitet werden, da noch ein weiterer Bienenstandort betroffen ist. Damit ist ein vierter Sperrbezirk entstanden.

Dies veranlasst mich, nochmals dringend an alle Berliner Imker – ob nun in Vereinen organisiert oder nicht – zu appellieren, ihre Bienenvölker bei den Veterinärämtern anzumelden. Im Falle eines Seuchenausbruchs kann das Amt dann konsequent tätig werden. Ich sehe dies als eine Verpflichtung für alle Imker an.«

So weit, so aufregend: Ein Staat im Staat, von dem ich bislang nicht einfach nur nichts wusste, sondern viel zu wenig! Die in Völkern organisierten Bienen werden wiederum von einem Verband umsorgt, der sich innerhalb des menschlichen Staates als Substruktur – Mannoman! Wie konnte ich all die Jahre, egal. Es spricht der Bienenpräsident. Es ist etwas faul in seinem Staat, drum appeliert er an die Selbstverantwortlichkeit, letztendlich auch an den Menschenverstand:

»Wer meint, beispielsweise auf seinem Balkon Bienen halten zu können, sich aber nicht um imkerliche Regeln und Pflichten schert, leistet keinen Beitrag zur Stadtnatur. Zum Imkern gehört nämlich auch Sachkunde, damit die Bienen gesund geführt werden können. Nur dann ist ein gedeihliches Nebeneinander von Mensch und Bienenvölkern in der Stadt möglich!

Alle Imker, ob organisiert oder nicht, erinnere ich erneut daran, die Völker im Frühjahr mittels einer Futterkranzprobe auf Faulbrut untersuchen zu lassen. Dies ist mit Hilfe der Imkervereine möglich.«

In seinem klassisch aufgebauten Vortrag verweist der Präsident, denn manche wollen ja nicht hören (und nicht jeder kriegt das Deutsche Bienen Journal frei Haus), auf Konsequenzen:

»Unser aller Ziel muss es sein, Berlin endlich faulbrutfrei zu bekommen. Dass daran nicht nur Berliner Imker mitarbeiten müssen, sondern auch die Wanderimker, die jedes Jahr in Scharen nach Berlin kommen, um hier ihre Bienenvölker zur Honigernte aufzustellen, liegt auf der Hand. Ohne ein aktuelles Gesundheitszeugnis darf – rechtlich gesehen – kein Volk nach Berlin kommen.«

Das saß. Denn freilich hatte ich seit der Lektüre des Buches von Sue Hubbell nicht einen Tag lang nicht daran gedacht, ob nicht vielleicht im nächsten Frühjahr Punktpunktpunkt. Am Bienenbesitz lockt mich ja so ziemlich alles. Vom Honig einmal abgesehen, ist es vor allem der geile Schutzanzug, aber auch ohne – in Sue Hubbells Buch gibt es die Episode, da bekommt sie Besuch von ihrem Neffen für ein paar Wochen und der will ihr bei der anstehenden Ausschleuderung des Honigs aus den Waben helfen. Zuvor muss er aber noch gegen das Bienengift immunisiert werden (bei größeren Attacken wird man wohl von derart vielen Bienen gleichzeitig gestochen, dass auch der Schutzanzug nichts mehr hilft; er wird sozusagen stellenweise, in seinem Fall am Po, perforiert), und das geht angeblich so vor sich, dass man sich zwei Wochen lang an jedem Tag von einer allmählich gesteigerten Anzahl von Bienen stechen lässt. Nach zwei, drei Wochen und etwa einhundert Stichen ist man dann unempfindlich geworden und die Bienen können einen stechen, so oft und auch wohin sie wollen. Soll extrem gesund sein!

Außerdem gefällt mir auch die gesamte Ästhetik des Drumherums: die Boxen, in denen die Völker leben, die Zentrifuge, die Waben und, im Bienenjournal war ein herrliches Exemplar abgebildet, die »große Schwester« der ApiMATIC 1000 namens ApiMATIC 3000: eine Abfüllmaschine von der Wabe aufs Glas. Gläser übrigens viel preiswerter als jemals gedacht, bei Bestellung eines Gebindes des Einheitsglases des Deutschen Imker Bundes für 500 Gramm kostet mich jedes Glas inklusive Deckel gerade mal 35 Cent. Das Gebinde umfasst 6336 Stück. Das scheint insgesamt die Downside der schönen Beschäftigung mit den Bienenvölkern: Die produzieren halt echt viel. Auf den social pages des Deutschen Bienen Journals stand die Geschichte einer jungen Frau, die von ihrer imkernden Großmutter ein Volk zum Geburtstag geschenkt bekommen hatte. Gleich in ihrem ersten Jahr betrug ihre Ernte 15 Kilogramm Honig. Das ist unheimlich viel! Möglichweise könnte ich es innerhalb eines Jahres gar nicht schaffen, derart viel Honig aufzuessen. Eventuell könnte ich mein Volk durch auswendigen Vortrag des Lorscher Bienensegens zur Mäßigung mahnen. Oder ich spielte ihnen jeden Morgen das schöne Album White 2 von Sunnn O))) vor – könnte wiederum Ärger mit den Nachbarn geben. Ziemlich wahrscheinlich sogar.

Schade, aber toll, wie Rocko Schamoni zu sagen pflegte. Muss ich meinen Bienenfetisch halt weiterhin kalt ausleben. Als Trost bleibt mir die bienenhaft schwarz-gelbe Gestaltung von waahr. Denn in puncto Produktivität, das wusste schon Arno Schmidt (und es waren ja auch seine letzten Worte; jedenfalls von denen, die schriftlich erhalten sind (sie stehen am Ende des Fragmentes Julia, oder die Gemälde)): da sind sich Schreibende und Bienen ähnlich. Es quillt und quillt und hört einfach nicht auf.

Sieht der Präsident des Berliner Verbandes übrigens in etwa auch so: »Jetzt ist die Möglichkeit, für möglichst starke Bienenvölker zu sorgen: also am besten schwächere Völker vereinen. Bei aggressiven Völkern sollte man eine neue Königin einsetzen. Ich wünsche uns allen einen farbenfrohen, schönen Oktober.«