8.5.

Zum ersten Mal in diesem Jahr im See geschwommen. Zum ersten Mal in meinem Leben in diesem See. Wäre ich von alleine nicht drauf gekommen, aber wo er jetzt immer da ist? Das Wasser war noch extrem kalt, wie ein Gelee fühlte sich das an und es stimmt halt leider überhaupt nicht, dass es einem mit dem Schwimmen nach einiger Zeit wärmer wird oder dass ich die Eisigkeit nicht mehr spüren würde. Schrecklich war es, schrecklich blieb es. Aber vom Wasser aus betrachtet, sahen die Schwäne auf eine tolle Art größer und schöner aus. Die schauten auch interessiert und bogen heran. Klar, die kennen mich ja, aber so hatten sie mich noch nie gesehen (ich sie ja auch nicht).

Extreme Mengen einer Wassermelone gegessen, bestimmt drei Kilo, und im Arabischen bedeutet Melone »Trinke das Licht«. Die an der Schale haftenden Reste des Fruchtfleisches an die Duckente verfüttert, die schon wieder auf ihrem Nest unter mir saß. Wahrscheinlich sind die übrigen sieben Küken eben doch von irgendeinem Tier geholt worden. Deshalb beschützen sie das ihnen einzig verbliebene Küken jetzt auch so aggressiv. Und legen, bevor der Sommer kommt, noch rasch einen weiteren Satz Eier.

Die Nachbarn, schließlich war Samstag und aus dem muss man etwas machen, hatten einen Tipp-Kick-Tisch auf die Terrasse gehoben und an dem spielten dann mit leisem Geklacker die männlichen Gäste, während sich eine Frau in blauem Sommerkleid auf die antike Balustrade an der Grundstücksgrenze setzte, um dort im Kreise ihrer Freundinnen auf einer Gitarre zu musizieren. Ja, Wahnsinn, so etwas gibt es halt auch.

Schwer, aber nicht zu schwer, solch einen Tag noch zu einem geglückten Abschluss zu bringen; den Tag zu landen, wie George Condo das vom inneren Erlebnis seiner Malerei sagt »I’ve got to land the painting«. Ich griff zum kleinen roten Buch, das in diesem Frühling ja tatsächlich volljährig geworden ist, 1. Auflage 1998 © Suhrkamp Verlag Frankfurt am Main 1998. Ich kenne die Regel, die nur mich selbst betrifft, aber sie bringt mir nichts, denn immer dann, wenn ich behaupte, dass ich ein Buch auswendig kenne, kenne ich es halt überhaupt nicht auswendig, sondern habe lediglich das Gefühl, dass es sich so verhält mit mir und einem dieser Bücher, von denen ich behaupte, dass ich sie auswendig kenne. Von daher handelt es sich streng genommen um gar keine Regel, sondern um den Versuch einer Beschreibung, weshalb es mir – nach all den Jahren – noch immer gelingt, mich selbst zu kitzeln. Und so lag ich lesend im Bett, während mir die untergehende Sonne durchs offene Buch ins Gesicht schien und las Rave jetzt als ein Buch der Liebe. Hatte ich total vergessen, dass es vor allem um Liebe geht. Dabei wollte ich darin ursprünglich etwas spezifisch anderes finden. So war es aber nicht nur auch okay, sondern noch viel besser als gedacht. Tag gelandet. Maschine schläft.

1998 fiel der 8. Mai auf einen Freitag.