9.10.

Wunderschöner Sonnenaufgang, wie mit sämtlichen Registern gezogen, über dem spiegelnden See. Als ob die Natur selbst so wie eines ihrer Details, als ob sie wie die Katze wäre, die ganz genau sich ihrer Wirkung bewusst zu sein scheint (Maria Popova ließ in ihrem sonntäglichen Newsletter Ursula Le Guin aus ihrem Katzenwissensschatzkästchen plaudern) – ich war sogleich wieder versöhnt mit der Natur und ihrem Sturm und dessen Auswirkungen, die mich beinahe drei Tage lang hier festgehalten hatten, sodass ich gestern auch noch – wie heißt das Gegenteil einer Krönung – den Imkerkongress in Dahlem verpasst hatte, auf den ich mich so lange gefreut.

Am Nachmittag dafür einen ausgedehnten Spaziergang durch das Viertel gemacht. Einige Akazien lagen in Stücke gesägt und ordentlich aufgestapelt da. Wie Täter. Und in den Bäumen sah ich, trotzdem es Sonntag war, den einen und anderen Industriekletterer at work. Peter Handke hat sich entschieden gegen die Villenviertel ausgesprochen. Er findet sie grausam. Da unterscheiden wir uns. Ich kann hier beim besten Villen (sic!) nichts Grausames entdecken. Allenfalls kam es mir gestern so vor, beim Betrachten der Wolken hinter den Bäumen, dass diese Welt dort, also das Himmelsgeschehen, eine so unendlich abwechslungsreichere ist als die bei mir unten. Wie dort alles und jedes einzelne Element – farblich, aber auch von seiner Gestalt her – in andauernder Veränderung begriffen scheint.

Aber halt bloß scheinbar. Denn auch mir gehen die Haare aus, ich werde mal dicker, dann dünner. Früher wuchs ich, und einst werde ich verschwunden sein. Mir fiel diese Geräuschsituation ein, neulich auf der Insel, als es nachts das Riesengewitter gegeben hatte und am nächsten Tag schien wieder alles gut dort oben. Dann aber sah ich, wie zwei mächtige weiße Schiffe aneinander vorbeizugleiten schienen in einem für beide zu engen Kanal und es kam tatsächlich ein Geräusch aus dem Himmel, das dieser meiner Sinneswahrnehmung entsprach. Ein kosmisches Knurren.

Schön wär‘s ja, wenn es sich tatsächlich um eine Alterserscheinung handelte, dass einem mit zunehmendem Alter das Wettergeschehen bedeutender vorkommt. Ich glaube nicht. Man hat dann die Begriffe dafür (und ich zumindest darf nicht allzu lange darüber nachdenken, worauf ich dabei schaue, sonst fällt mir unweigerlich ein, dass ich auf einer Gesteinskugel stehe, die durch einen dunklen Raum ohne Wände fliegt).