18.12.

Kurz vor Ende des Jahres bekommt mein Sozialleben noch einmal einen interessanten neuen Aspekt: die Welt der wachsende oberen Mittel- und Oberschicht Accras, die Expats und Zurückgekehrten. 

Selassie wurde hier geboren und ist in New York aufgewachsen, nach Jahren bei der UN im Südsudan, dem Senegal und Kenia ist sie zurück in der Stadt. Als Spitzenköchin veranstaltet sie einmal im Monat ein großes Garten-Dinner mit dem, was sie New African Cuisine nennt: alles von hier, angepasst an den zeitgenössischen verfeinerten Geschmack, dazu gibt es Wein, der innerhalb von Minuten im Glas warm wird. Meine Tischnachbarn adoptieren mich umstandslos. 

Emefa hat ghanaische, libanesische und englische Wurzeln, sie nennt sich afropolitan. Sie ist mit ihrer gut gelaunten Mutter, ihrem stark an Dapper Dan erinnernden Vater und zwei ihrer leicht gelangweilten, jüngeren Brüdern gekommen. Sie betreibt ein Modelabel und ist angehende Yogalehrerin. Gefragt, wie sie auf die ständigen Werbungsversuche der Männer reagiert, sagt sie, sie erzähle entweder, dass sie ein Transmann mitten im geschlechtsangleichenden Prozess sei oder dabei, Nonne zu werden. Beides funktioniere. Poem (»Man spricht es Pumm aus, also nicht ganz so prätentiös«) ist Niederländerin, lebt aber in Ghana, seit sie zwei Jahre alt ist. Zusammen mit ihrem Mann, einem Deutsch-Ghanaer, dessen Mutter aus Leipzig stammt, betreibt sie einen Laden für afrikanisches Kunsthandwerk. Als ich sage, dass sie mir die nächste Frage verzeihen soll, sagt sie, ich solle mich nur für nichts entschuldigen, niemals: Und ja, sie habe bis vor zwei Jahren, also bis sie  59 Jahre alt wurde, ihre Unterwäsche selbst gewaschen, von Hand. Eine Waschmaschine habe auch sie nicht, wegen der wenig verlässlichen Wasserversorgung. Stattdessen besitze sie um die 100 Unterhosen, das reiche eine Weile. Weihnachten werde sie im Bett verbringen, wo sonst. Sie schaut etwas genervt zu Pamela, Handtaschendesignerin, die an jedem der fünf Gänge etwas herumzumäkeln hat und vor allen anderen verschwindet. 

Am nächsten Tag besuche ich einen Kindergeburtstag, 20 Kilometer nordöstlich von dort, wo ich wohne, in einem Vorort namens Baatsoona. Naa hatte auf Facebook öffentlich eingeladen, alle, die am Sonntag nichts besseres zu tun hätten. Ihr älterer Sohn wird zehn Jahre alt. Auf ihre Zusage hin fuhr ich zur Accra Mall, auf der Suche nach einem Geschenk. Auf der Fußgängerbrücke, die über die Spintex Road führt, laufen wie immer bettelnde Kinder umher - Migranten aus Niger, Mali, Tschad und dem Sudan. Einer ihrer Tricks ist es, sich an die Beine von Passanten anzuklammern, bis die ihnen Geld geben. Gesehen habe ich das schon, passiert ist es mir zum Glück noch nicht. 

In der Mall kaufte ich eine Wasserpistole, der Supermarktangestellte im pinken Hemd riet mir dringend, für einen Jungen lieber die grüne statt die pink-lilafarbene zu nehmen, wie ich es eigentlich vorhatte. Auf der Geburtstagsfeier dann (ich finde sie nur, weil Naa mir über Whatsapp ihren Standort sendet), bemächtigen sich sowieso zuerst die Mädchen des Spielzeugs, das Trampolin ist kurz uninteressant. Es läuft Pharell Williams und Taylor Swift, ich lasse mir vom Kokosnuss-Mann mit der Machete eine Frucht öffnen und trinke das Wasser, dazu gibt es frisches Popcorn, Palmwein, ein Reis-Fleisch-und-Salat-Büffet und zwei dreistöckige Sahnetorten. Für die Erwachsenen eine mit Bailey’s, auf der jugendfreien steht: »You Are 10 - The Galaxy Is Your Limit!«