22.12.

Immer noch keine Rohrratte gegessen. Dabei ist es das ideale Fleisch: Die Tiere sind eine Plage, in den Felder schädigen sie die Mais- und Zuckerrohr-Ernte. Das Züchten klappt anscheinend nicht so richtig gut, es handelt sich also bei also meist um freilaufendes bush meat. Die Upperclass-Damen auf dem Dinner neulich schwärmten davon: Das sei so, so gut und dem Verzehr von Schlange auf jeden Fall vorzuziehen.  

Ich laufe also im Viertel herum und frage diverse Leute, wo ich wohl grascutter finden könnte, irgendeine der vielen Chop-Bars muss doch welches haben. Leider nein. In der Regenzeit kämen die Tiere in die Felder, sagt man mir, dann könne man losziehen und welche fangen. »Ich rufe meinen Bruder an, der kann dir vielleicht eine besorgen«, bietet einer an. Aber ich will keine vier Kilo schwere Ratte in meiner Küche zubereiten. Ich will sie nur essen.  

Es liegt eine geschäftige Vorfeiertagsstimmung in der Luft: Am Straßenrand stehen fertig gefüllte und in Zellophan verpackte Präsentkörbe (viel Whiskey), es werden Reissäcke in Kofferräume verladen (ein beliebtes Geschenk), Frauen laufen mit Lockenwicklern in den Haaren umher (die Festtagsfrisuren), auf einmal ist auch in Läden etwas los, die ich noch nie offen gesehen habe. Vor allen rattern kleine Generatoren – Stromausfall. An einer Ecke werden Lautsprecher geputzt und schwarz gestrichen, damit sie wie neu aussehen.

Wie viel Wert immer auf das ordnungsgemäße Erscheinungsbild von Dingen gelegt wird. Im staubigen Souvenir-Laden des Mausoleums von Kwame Nkrumah, dem ersten Präsidenten nach der Unabhängigkeit, wickelte der Verkäufer mir meine Waren erst in Zeitungspapier ein, um sie dann in die obligatorische schwarze, dünne Plastiktüte zu stecken. Auf meinen Protest hin sagte er: »Aber was sollen die Leute denken, wenn sie das Halbverpackte sehen und erfahren, dass du das hier gekauft hast, im Souvenir-Shop des Kwame-Nkrumah-Mausoleums«. (An jedem Stand und jeder Kasse wieder erkläre ich, dass ich für eine Flasche Bier oder eine Limette keine extra Plastiktüte brauche, ich habe ja eine Tasche dabei. Jedes Mal wieder gelte ich damit als mindestens wunderlich. Als sie mich im Lara Mart einmal auslachten, sagte ich: »Die Plastiktüten bringen uns eines Tages alle um und dann werdet ihr an meine Worte denken«. Ich wirke wie eine irre Verschwörungstheoretikerin, das ist mir auch klar.)

Als ich die Rohrrattensuche aufgegeben habe, lande ich im Buka, einem der angesagtesten Restaurants der Stadt mit einer Filiale in New York. Entweder handelt es sich bei er Jeunesse dorée accrabien um Gastro-Mormonen wie ich oder der Laden ist so gut, dass er auch um 15.30 Uhr bumsvoll ist. Der Gastraum befindet sich im ersten Stock auf einer nach zwei Seiten offenen Terrasse. Statt in Plastikschüsseln, die zum Tisch gebracht werden, wäscht man sich die Hände in zwei Waschbecken hinter einer Stellwand. In einer Ecke spielt eine kleine Band: ein Keyboarder und einer, der leiernd dazu singt - keine Weihnachtslieder, sondern Afrikanisches -, während er auf seinem Telefon Whatsapp-Nachrichten tippt. 

Die Leute sind entweder mit Freunden hier oder zum Geschäftsessen hier, in Hosenanzügen, Kostümen und dem, was sich hier political suit nennt. Einer trägt einen im Glencheck-Muster – dreiteilig, komplett mit Weste, Krawatte und Einstecktuch. Ich kann nur immer wieder staunend vermerken: 31 Grad, 85 Prozent Luftfeuchtigkeit. (Eine meiner Hosen schimmelt. Mir kam sie schon lange eigenartig schwer vor, jetzt wachsen überall weiße Flecken. Merke: Leinen-Viskose-Gewebe speichern offensichtlich auf ungute Art Feuchtigkeit.)

Es gibt Perlhuhn in Erdnuss-Suppe und frischen Palmwein – mein neues Lieeeeblingsgetränk. Sieht so ähnlich aus und schmeckt so ähnlich wie Federweißer, nur besser. Man trinkt ihn aus einer halben Kalebasse, eine Art Kürbis, der am Baum wächst. Neue Geschäftsidee: Palmwein-Import. Als Janne und ich 2005 in London in rauen Mengen Ginger Beer tranken, dachten wir kurz darüber nach, es nach Deutschland zu importieren. Ein paar Jahre später tauchte es dann in Berliner Bars als Zutat für diverse Drinks auf. Ich sehe eine große Zukunft für Palmwein als Sommer-Aperitif.