27.10.

Als die Damen-Gang dem Chief ihr Tänzchen darbringt, beglückwünsche ich mich selbst für mein zufällig mal sehr gutes Timing.

Aburi liegt auf 450 Metern im Hochland. Sein Botanischer Garten mit den handgeschriebenen blauen Hinweisschildern wird von Schulkindern, Pärchen, Ziegen und Hühnern als öffentlicher Park genutzt. Er steht voller enormer Palmen und Kakaopflanzen, zwischen denen Libellen und daumennagelgroße Schmetterlinge umhersirren. Der zerbeulte, ausgeweidete Hubschrauber, der kommentarlos auf dem zentralen Rasenstück hockt, verleiht dem Ganzen einen Hauch von Platoon.

Als ich gerade die Lianen beschaue, hält einer, der sich als Kofi vorstellt, mit seinem Motorrad neben mir. Er ist schon der dritte Kofi, den ich kennenlerne. Alle an einem Freitag geborenen Männer heißen Kofi, unter anderem. Statt sich wie üblich nach meinem Beziehungsstatus zu erkundigen, fragt er, ob ich wegen des jährlichen Odwira-Festivals hier sei. Er sei Mitglied der königlichen Familie der Stadt und könne mir bei der Begrüßungszeremonie, dem durbar, unten beim chiefs palace einen Platz im Publikum verschaffen, kein Problem. Er müsse in der Zeit nur leider ein paar Straßenlaternen reparieren. Ich steige auf – nicht sicher, wie schicklich das nun wieder ist. Egal. Als wir die Hauptstraße hinunterpeitschen, wird Kofi von Passanten mehrmals mit »Honorable!« gegrüßt. Er ist, erklärt er, einer von drei gewählten Bürgermeistern, zuständig für den Norden Aburis.

Auf dem Hof des chiefs palace sitzt sich das festlich gekleidete Publikum schon seit ein paar Stunden unter Sonnendächern gegenüber, auf einer Bühne döst die blau uniformierte Polizei-Band biertrinkend zwischen E-Gitarre, Buschtrommel und Trompete. Das Zentrum der Aufmerksamkeit gilt denen, die am Kopfende des Platzes ein paar Stufen erhöht unter einem anderen Sonnendach sitzen: ein Dutzend Chiefs, Queen Mothers und andere Royals die hier geehrt werden. Die Frauen tragen ausladende Waxprint-Kleider und Kopftücher in jeweils demselben Muster, die Männer bunte Togen aus Stoffbahnen so groß wie Vorhänge, die rechte Schulter nackt, dazu Lagen von Perlenketten und Goldringe, die Harald Glööckler lieeeben würde. Rita Marley, die Witwe von, lebt seit vielen Jahren in Aburi, betreibt ein Aufnahmestudio und wurde mittlerweile zur Queen of Development ernannt, ich kann sie allerdings nicht entdecken. Hinter den Chiefs und Queen Mothers steht eine Viererreihe von Windzufächlern und Schweißabtupfern und tut ihren Job. Drei Trommler fabrizieren mit eispickelförmigen Stöcken drei Rhythmen gleichzeitig, der Moderator macht Scherze, mehrere Kameramänner filmen, einige Handys, sogar der obligatorische betrunkene Volksfest-Querulant ist gekommen.

Der dicke, glatzköpfige Ober-Chief in seiner schweren blau-weißen Toga hält eine Rede, abwechselnd auf Englisch und Akan, in der es um die Ahnen und die Bedeutung von Bildung in der Community geht. Als er fertig ist, klatschen die Leute beherzt und es wird mit Gewehren in die Luft geschossen. Dann ist der jugendlich wirkende Pastor mit der Malcolm-X-Brille dran, der bis eben an seinem Smartphone herumspielte. Er trägt einen scharf geschnittenen dunkelblauen Anzug, einen Kollar und darüber eine dicke, fette Goldkette mit Kreuz. Halleluja und Amen, dann spielt die Polizei-Band flott auf. Einzelne Frau erheben sich, um heiter ein wenig zu tanzen, jede mit sich selbst. Man könnte die Tonspur problemlos durch I Will Survive ersetzen.

Irgendwann betritt eine Fünfergruppe Frauen in ihren Sechzigern und Siebzigern die Szenerie. Wie eine Gang in Meerjungfrauen-Kleidern reiten sie ein, gehen erst händeschüttelnd die linke, dann die rechte erste Publikumsreihe ab, bevor sie sich auf eilig herbeigebrachte Stühle setzen. Eine von ihnen erhebt sich wieder, tritt auf den Platz vor der Chief-Tribüne und tanzt. Hüpft von einem auf den anderen Fuß, dreht sich, macht mit den Armen die John-Travolta-Rolle, dabei den Ober-Chief immer im Blick. Der kuckt zurück, lächelt gütig, macht mit zwei Fingern, mit denen er in Richtung seiner Augen zeigt, die »Ich sehe dich«-Geste, schlägt sich da auf die Brust, wo das Herz sitzt und nickt zufrieden. Im Publikum wird Gefallen mit den in die Luft gestreckten Zeige- und Ringfingern der rechten Hand signalisiert, nur zwei ältere Damen winken ärgerlich mit ihren weißen Taschentüchern ab und schauen demonstrativ in die andere Richtung. Als die Tänzerin zu den anderen zurückkehrt, umarmen die sie und die nächste ist dran.

Nach Einbruch der Dunkelheit geht das Fest zu Highlife auf den Straßen und in den in Neonfarben beleuchteten Spots weiter, an jeder Ecke steht ein anderer Lautsprecher-Berg und übertönt den nächsten. Ich mache mir etwas Sorgen um die Säuglinge, die sich wie immer fest in Tücher verschnürt an die Rücken ihrer Mütter schmiegen und gut durchgeschüttelt werden, wenn die tanzen. Aber da bin ich offenkundig die einzige. Die Babys schlafen oder kucken in der Welt herum.