27.11.

Im Gegensatz zu den Einwohnern Burkinas kommen mir die Ghanaer laut, unelegant und frostig vor. Aber das ist nichts gegen, urgh, white people. Das einzige Wort, an das ich beim Anblick der herumhängenden Jungmenschen im Motel des Mole-Nationalpark denken kann, ist sluggish. (L’avoir l’oeuf coloniale sagen die Burkinaben für Dicksein: ein koloniales Ei mit sich herumtragen.) 

Außerdem sind sie abstoßend geizig. Kurz nachdem die Morgensafari vorüber gegangen ist, ohne dass Elefanten gesehen wurden, bricht auf der Pool-Terrasse mit Blick auf die Ebene auf einmal Aufregung aus. Am Wasserloch steht eine Antilope und trinkt, aus Richtung des dichten Waldes hat sich ein Elefant genähert. Er erscheint hinter den Baumwipfeln, alle schreien und halten ihre Handys drauf, dann bewegt er sich ein paar Meter. Die Antilope ist weggehüpft, der Elefant verschwindet im Grünen. Zwei der jungen Ranger beschließen, dem Tier nachzustellen. Ein Dutzend Leute folgt den zwei Uniformierten und mit Gewehr Bewaffneten den Hang hinunter. Nach ein paar Ermahnungen haben auch die Letzten verstanden, dass ihr Geplapper den Elefanten vertreibt und sind endlich ruhig. Eine halbe Stunde laufen wir in der Mittagshitze durch die Savanne, trockene Zweige  knacken, Geier kreisen und Ibus schreien, ab und zu stoppen uns die Ranger, um zu horchen und sich stumm mit Handzeichen zu verständigen.

Auf einmal nähert sich aus Richtung des Motels eine einheimische Schulklasse, erkennbar an den grasgrün-pinken Uniformen. Sie rufen und kreischen und als sie uns eingeholt haben, ist der Elefant wohl endgültig in den Tiefen des Waldes verschwunden. Die Safari wird abgebrochen, eines der deutschen Volunteer-Mädchen in Jeans-Hotpants (sie tragen in diesem Alter immer Jeans-Hotpants, diese Mode hält sich schon seit Jahren, es ist ein Phänomen. Ich wette, sie waren auch so die alte Moschee im Ort anschauen. Obwohl, davor haben sie Angst oder schlimmer: Es interessiert sie nicht) sagt zum anderen: »Da bezahle ich jetzt nicht für. Da waren ja noch ganz viele andere, die nicht zahlen, und gesehen haben wir auch nichts.« Ich würde sie gern fragen, ob sie noch alle hat. Die Safari zu Fuß kostet 2 Euro pro Stunde pro Person, davon leben die Ranger, und von den ghanaischen Kindern können sich die Reise hierhin die wenigsten jemals leisten. Die meisten sehen in ihrem Leben keinen Elefanten, auch nicht im Zoo. Volunteer, hm, also hier, um den Leuten zu helfen, ja? Fucking hell. Aber ich bin nicht deren Erziehungsberechtigte und sage nichts. Die Ranger trösten die Gruppe damit, dass der Elefant aus einer weit entfernten Ecke des Parks kam, sie selbst hätten ihn noch nie gesehen (für ein paar der 600 Tiere, die ihnen bekannt sind, haben sie Namen: Old Man oder People’s Friend), und er weder die Stimmen noch den Geruch von Menschen gewohnt sei. Die Chancen, ihn aus der Nähe zu Gesicht zu bekommen, waren von Anfang an gering. Keiner der Jungmenschen gibt den schwitzenden Rangern auch nur ein Trinkgeld. Leute können so scheiße sein.

Als die Volunteers abgereist sind, wird es schöner im Motel. Der Pool ist leer, die Terrasse verlassen. Ich unternehme noch eine Nachtsafari, auf der zwar auch keine Elefanten oder Hyänen auftauchen, Leoparden oder Löwen sowieso nicht, die wurden zum letzten Mal vergangenes Jahr gesichtet. Aber Buschböcke, Wasserböcke und Kobs, eine weitere Antilopen-Art, ein Nil-Krokodil, Husarenaffen, Paviane und Grünmeerkatzen, Warzenschweine, Geier, die fischfressenden Ibus, Perlhühner, Buschbabys, eine Igelmutter und zwei ihrer Jungen, jede Menge Eidechsen, Schmetterlinge in allen möglichen Größen und eine Katze namens Serval. Das geheime Leben der Urwald-Tiere.

Ich habe die mir aus der Geldsendung meiner Mutter verbleibenden Euros an einem Telefonkartenstand auf der Hauptstraße des nächstgrößeren Ortes Damongo in Ghana-Cedis tauschen lassen (zu einem grottigen Kurs, aber die Bank konnte mir nicht helfen, etwas auszahlen konnte sie mir erst recht nicht. Bargeld bleibt weiterhin ein Problem) und weiter geht es. Nahziel ist die Hafenstadt Yeji am Volta-See. Einmal pro Woche fährt eine Fähre den größten See Afrikas hinauf und wieder hinunter, das dauert mal anderthalb, mal eher drei Tage – je nachdem, was auf dem Weg passiert. Für Passagiere gibt es neben der Holzklasse zwei Erste-Klasse-Kabinen und notfalls eine des Personals.

Ingo und ich sind 2010 in Mali mal mit einer Piroge den Niger hinaufgefahren, von Mopti bis nach Timbuktu am Rand der Sahara. Das war bevor Islamisten in Timbuktu alles kurz und klein schlugen und aus dem kleinen Hotel mit den Lacoste-Handtüchern ein Scharia-Gericht machten. Die dreitägige Fahrt auf dem Niger jedenfalls, vorbei an Zebuherden, winkenden Dorfbewohnern und Nilpferden, die stille Gleichförmigkeit nur unterbrochen von Landgängen, auf denen der Koch von Fliegen umschwirrtes Fleisch kaufte, das er uns sowie dem Steuermann auf dem Boot zubereitete, gehören zum Schönsten, was mir je widerfuhr.