29.10.

Auf halber Strecke fällt mir ein, dass ich zwar die Passfotos und den Gelbfieber-Ausweis bei mir habe, aber den Pass vergaß. Aha, so weichgekocht ist mein Gehirn also schon. Aussteigen aus dem Trotro, kurz im Koala-Markt vorbei, denn wo ich schon mal hier bin, kann ich gleich einen Liter Milch kaufen, so etwas gibt es nur in den großen Supermärkten. Das nächste Trotro zurück (die Benzinpreise sind gestiegen. Statt 1,80 kostet die Fahrt jetzt auf einmal 2,80 Cedis, deutlich mehr als eine Ananas am Straßenrand, aber nur ein Fünftel so viel wie ein Liter europäische Milch), die zehn Minuten Fußweg zurück zum Haus. Nach einer Stunde bin ich wieder auf dem Weg. Zwei Liter Wasser leichter.

Christian schickt einen Wetterbericht aus Los Angeles, wo kurzzeitig 38 Grad sind. Das sticht meine gefühlten 39 Grad, er gewinnt. Ich weiß nur nicht genau, ob das Spiel Wer hat’s besser? oder Wer leidet mehr? heißt.

Die Botschaft von Burkina Faso liegt in meinem neuen Lieblingsviertel, Asylum Down. Ich war hier noch nie, aber der brutale Name! Es ist nach der Nervenklinik darin benannt. Das teuerste Viertel der Stadt mit den 6000-Dollar-Monatsmieten heißt Airport Hills und liegt in unmittelbarer Nähe derselben. Nimm das, Pankow! Ich treffe eine halbe Stunde vor Feierabend in der Botschaft ein; das Besucherbuch, in das ich meinen Namen und Telefonnummer krakele, weist mich als zwölfte Besucherin des Tages aus. Ich könnte direkt reingehen, sagt der Sicherheitsmann. Die beiden Damen von der Visa-Abteilung sitzen in einem in seiner Gesamtheit windschief anmutenden Raum, in dessen Rückwand ein koffergroßes Radio eingemauert wurde, arabisches Fabrikat, circa 1959. Das Kabel baumelt lose neben der vergilbten Steckdose. An der Decke lärmt der Ventilator. Diejenige, die mein Anliegen bearbeitet, stoppt meine Fragen mit einem Lächeln, sagt: »My Englisch is small-small«. Während ich den Wisch ausfülle und das Geld zusammenzähle, unterhält sie sich mit ihrer Kollegin auf Französisch über Haushälterinnen. Morgen früh ab acht Uhr könne ich meinen Pass abholen. Nimm das, Bezirksamt von Berlin-Mitte. Erst als ich wieder auf der Straße stehe, fällt mir auf, dass ich vergessen habe, die Botschaft darüber zu informieren, dass ihre Website offline ist.

Als es dunkel geworden ist in Asylum Down, nehme ich ein Taxi zurück. Der Fahrer, er sieht aus wie höchstens 19, kennt Teshie nicht. Auf meine Frage nach dem Preis kann er mir deshalb auch nichts antworten. Ich sage, ich könne ihm zeigen, wo es langgeht. Mein Handy ist zwar tot, aber ich weiß den Weg. Er biegt jedoch falsch ab. Statt nach Osten aus der Stadt heraus, fahren wir in die entgegengesetzte Richtung immer weiter ins Zentrum. Was ich anmerke. Er beharrt auf seinem blöden Nichtwissen und versucht, Autorität durch Draufgängertum zu simulieren, hupend mit Tempo 80 auf der Schlaglochstraße. Wobei ich die Geschwindigkeit schätze, der Tacho ist kaputt. Als wir das dritte Mal den großen Kreisverkehr am Stadium nehmen, immer noch zehn Kilometer vom Ziel entfernt, brülle ich. Irgendwann sagt er: »Ich weiß den Weg jetzt, Ma’am«. Jetzt ma’amt er mich auch noch. Am Ende werden wir eine Stunde herumgekurvt sein, verdient hat er wohl nichts an mir. Aber so weiß ich jetzt, dass von Nescafé gebrandete Fahrräder im nächtlichen Usshertown Instant-Espresso in kleinen Pappbechern verkaufen und dass sich die Prostituierten von Osu vor der Filiale der Societé Generale aufreihen.