31.12.

Profi-Tipp: Silvester am 30.12. feiern, das ist immer lustiger. Außerdem sind die Taxis günstiger bzw. leichter zu bekommen, es gibt wenige Konkurrenzveranstaltungen, der fehlende Druck, die Nacht des Jahres zu erleben, führt oft dazu, dass es die Nacht des Jahres wird.

Die Einladung zur Party von Efua und Fred erreichte mich über Efuas beste Freundin, die leider verhindert ist. Ich hatte also besser noch einmal nachgefragt, mit den Worten: »Mein Deutschsein erlaubt es mir leider nicht, da einfach unangekündigt aufzutauchen. Ist es wirklich okay?« und bekam zur Antwort: »Feel free. Wenn du sie nicht suchst, wirst du die beiden in der Menge wahrscheinlich nicht mal sehen.« Große Vorfreude. 

Mein Taxifahrer, Azumah (»der Krieger«) von einem Unterstamm der Ewe aus der Voltaregion, erklärt mir, wie er Silvester feiert: morgens Kirche, es sei schließlich Sonntag, dann arbeiten, dann Essen mit der Familie, von 21 bis 1 Uhr wieder Kirche, danach feiern. Es gäbe um Mitternacht durchaus Feuerwerk, Knockout genannt. »Dann betet ihr zum Geräusch von Böllern?« – »So ist es.« Wir passieren ein gigantisches Plakat, auf dem eine Kirche für eine übernatürliche Fußwaschung (das steht da wirklich so) beim Überqueren der Jahresgrenze wirbt – auch eine Option. 

Die Party ist dann schon von weit her zu hören, die Buckelstraße, die zum Haus führt, von Autos gesäumt. Viele Ghanaer, so viel weiß ich inzwischen, fangen in der Regel früh an zu feiern und laufen sich schnell warm. Es ist kurz nach acht, der Hof schon gut gefüllt. Es gibt ein Barbecue, auf einem Tisch eine offene Bar plus zehn große Kühlboxen voller Getränke, einen gelben 25-Liter-Kanister, der mal Frittieröl enthielt und in dem jetzt frischer Palmwein schwappt (Eyes full of love), einer schiebt eine Schubkarre voller Kokosnüsse durch die Menge. Ich treffe die Gastgeber Fred und Efua, letztere fällt mir um den Hals, und tatsächlich zwei, drei Leute, die ich von ganz woanders her kenne: Yorm zum Beispiel, die ein Jahr lang in Frankfurt gelebt hat (es aber eher schwierig fand, wie sie sich ausdrückte, essenstechnisch und sozial) und derzeit in Johannesburg ist, ihr ebenfalls ghanaischer Mann Edward lebt in New York, über die Feiertage haben sie sich (und ihre Familien) in Accra getroffen. Das nenne ich Fernbeziehung.  

Auf dem Rasen tanzen schon Leute, es läuft ausschließlich Afrobeat, der laut mitgesungen wird. Mein Vater fragte mich vor vielen Jahren, als ich auf meine ersten Technoparties ging (ich war 13 oder 14 - danke noch mal, Mama!), darüber aus, wie wir da tanzten und als ich es ihm erklärte (»Jeder für sich, aber doch irgendwie alle zusammen«), betrauerte er, dass es keinen Paartanz mehr gäbe (was ja so auch nicht unbedingt stimmt).

Ich freue mich, berichten zu können, dass es hier sehr viel Paartanz gibt – auch dergestalt, dass zur Abwechslung die Frau den Mann von hinten nimmt, oder ein Mann s c h e r z h a f t einen anderen (No homo! Dazu bitte mein Interview mit Jane Ward aus dem März lesen, ist online), und als Dreiertanz: Mann-Frau-Mann-Sandwich. 

Der Höhepunkt – der Party, meiner Zeit hier, vielleicht sogar meines Ausgehjahres (obwohl: die Herzchenaugenparty im Januar, auf der wir auf der Tanzfläche stehend Stille Post spielten und einander »You just don’t love me yet« ins Ohr flüsterten; das pfälzische Weinfest im Juli, als der Alleinunterhalter Come on Eileen spielte und wir nach Hause tanzten) – der Höhepunkt ist erreicht, als jemand »Circle!« ruft und etwa 50 Leute eine Polonaise durch den gesamten Hof tanzen, ohne Anfassen, Tekno-Style (ich meine den Musiker): kleine Bewegungen, stampfend, immer in Richtung Boden, die Arme angewinkelt wahlweise mit dem weißen Schweißtuch wedelnd, ab und zu ein Bein abspreizen wie ein pinkelnder Hund. Wenn der DJ, der manchmal auch rappt, den Ton rausdreht, werden die Hände in die Luft geworfen und alle kreischen. Ich lege mich einfach mal fest: Wo!! von Olamide ist der Song des Jahres. Meines Jahres.