7.12.

Am Morgen sitze ich mit meinem Vermieter Toufic herum und befrage ihn zum Forschungsprojekt Die Länder Westafrikas und ihr Ruf unter Ghanaern. Toufic hat schlechte Erfahrungen mit den Grenzbeamten in Togo gemacht, die ihn von oben herab und wie einen Bittsteller behandelten. Er bringt es auf folgende Formel: »Die Engländer haben drei Dinge nach Ghana gebracht: schlechtes Essen, Bürokratie und Höflichkeit. Die Franzosen nach Togo: gutes Essen, guten Wein und fragwürdiges Benehmen«. Die schlechte Reputation Nigerias unter Ghanaer erklärt er sich damit, dass viele Nigerianer ambitioniert und erfolgshungrig seien, was manche Ghanaer als egoistisch und hochmütig interpretierten. Nigerianer würden für ihre Meinung einstehen, hier dagegen gelte es als respektlos, wenn zum Beispiel ein Schüler mit einem Lehrer diskutiert.

Am Nachmittag schaue ich mir die aktuelle Ausstellung in der Gallery 1957 an, die trotz (oder gerade wegen) ihrer Lage in der zum Kempinski-Hotel gehörenden Mall die beste der drei Galerien Accras ist. Peter, der dort als Assistent arbeitet, hat im Februar den Studentenpreis des panafrikanischen Filmfestivals in Ouagadougou gewonnen, Preisgeld: zwei Millionen CFA. Davon könnte er sich in Burkina drei Monate lang Breitband-Internet leisten. Er hat Verwandtschaft in Aachen, aber seine Tante hat ihn mit den Worten »Deutschland ist ein Dorf, fahr’ lieber dahin, wo du was erlebst« bislang von einem Besuch abgehalten. Er war dann in Nigeria und hat es geliebt. Weil alle dort wüssten, dass Ghanaer eher »langsame Lerner« seien (seine Worte) seien alle extra-entspannt mit ihm umgegangen. »Wir sind die Goldkinder Westafrikas« sagt er und dass Ghanas erster Präsident nach der Unabhängigkeit, Kwame Nkrumah, viel für die anderen Länder getan habe. Das hätten diese nicht vergessen.

Zum Abendessen kehre ich bei Master’s Fast Food auf der Lokko Street ein, eine Hütte mit vier Tischen, in der die Hitze des Tages gespeichert ist. Es gibt zwei Gerichte: Jollof-Reis oder gebratenen Reis. Was sie nie dazu sagen, ist, dass der Reis nicht trocken kommt, sondern es Fleisch dazu gibt, in diesem Fall einen gebratenen Hühnerschenkel, außerdem Krautsalat und scharfe Sauce. Ich bleibe der einziger Gast und schaue die Nachrichten, die auf einem kleinen Fernseher unter der Decke laufen, Bild und Ton heillos asynchron.

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An der Akademie von Kumasi ist am Dienstag eine junge Frau gestorben, der elfte Todesfall dort seit März. Noch haben sie keine Ursache ausfindig machen können, jetzt werden alle Studenten gegen Meningokokken geimpft.

Es ist Tag sechs von 15 im finalen Beerdigungsritus für die Queen Mother der Ashanti in Kumasi, Asantehemaa Afia Kobi Ampem II, die letztes (!) Jahr im November 109-jährig verstarb, nach fast vier Jahrzehnten der Regentschaft.

Der anlässlich des National Farmer’s Day zum erfolgreichsten Bauern des Jahres ernannte 50-jährige Aweku Agyman erhält 100.000 Dollar Preisgeld. (Der rundgesichtige Präsident will den Berufstand, der für nur noch 22 Prozent des Bruttoinlandsproduktes verantwortlich ist, wieder für die Jugend attraktiv machen.)

Der Häuptling von Tamale hat die Marktfrauen zur Ordnung gerufen. Sie sollen sich nicht mehr gegenseitig mit Flüchen belegen.

In den Dörfern Gomoa und Odembo gibt es ein Müllproblem, erste Fälle von Typhus werden gemeldet.

Dutzende erzürnte Kunden haben das Kundencenter einer staatlichen Prepaid-Kreditkarten-Firma gestürmt, nachdem das Aufladen der Karten nicht funktioniert hatte.

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Auf dem Heimweg kaufe ich in der Bude gegenüber ein 15-Liter-Pack Wasser und transportiere es auf dem Kopf nach Hause, wie ein Profi. (Ich habe den Männern übrigens Unrecht getan: Lange dachte ich, sie könnten abgesehen von ein paar Bahnen Stoff und anderer leichter Fracht nichts auf dem Kopf transportieren. Bis mir gestern einer mit einer Nähmaschine entgegenkam – ein Schneider, der die Straße auf der Suche nach Aufträgen hinunterging und mit zwei Stücken Metall klapperte, um auf sich aufmerksam zu machen; das schwarze, eiserne Gerät trug er auf einem Kissen gebettet auf dem Haupt, freihändig.)

Mittwoch ist der kleine Freitag. Die Kirchen versorgen das Viertel stundenlang mit Gospelgesang und frenetischem Jubel. Für alle, die nicht beten, dröhnt auf der Straße Musik aus den Boxen.