»WENN DAS SCHÖNE NICHT WEHTUT, KANN MAN ES KAUFEN«

Am Morgen hatte der See erste Nebel. Die Sonne geht früher unter, das merke ich jetzt, es scheint mir plötzlich. Karin, die lange Jahre vor allem lang meine Agentin war, verriet mir einst, als ich noch nicht bereit dafür war, eine ihrer Lebensweisheiten: »Männer fallen die Stufen des Alterns hinunter, Frauen gleiten über das Geländer hinab.«

Ich habe ein wunderschönes Buch auf der Straße gefunden. Es stand da, möglicherweise für mich, zwei Morgende und Abende schaute ich es im Vorbeigehen an. Heute traute ich es mir, es mitzunehmen. Niemand schaute mir hinterher. Es handelt sich um ein Schulbuch aus den Sechzigerjahren, hergestellt, vor allem gestaltet in einem Großgraphischen Betrieb aus dem Besitz der Lübecker Nachrichten. Allein das, diese Information ficht mich an. Denn jetzt, wo Print angeblich schon komisch riecht, nicht mehr funky ist, ist mein Appetit auf die Hochzeiten schier unermesslich geworden. Wie schön man damals noch schrieb! In dem Buch werden Lehrinhalte vermittelt über Asien und Afrika. Es macht mir eine riesige Lust zu reisen, denn der Rest der Welt scheint auf eine maßlose Weise unbekannt. Neger sind dort Neger, ihre Lebensweise wird mit sprachlicher Pinzette geschildert. Dies alles ist noch nicht lange her. Beim Absatz über Äthiopien kamen mir die Tränen. Den Verfall dort habe ich ja bezeugt und mein Gefühl beim Anblick war damals wie bei einer heruntergefallenen Schüssel. Dann, beim Wiederlesen des Zeitzeugnisses wurde es noch mehr so.

Im dunstigen Licht, das im schönsten Buch von Hermann Lenz schlicht als Herbstlicht beschrieben ward, kam ich an einem geparkten Polizeiwagen vorbei. Einem Mannschaftstransporter. Und vor dem standen zwei Beamte in Riot gear, umspielt von einer Art Schäferhund mit schwarzer Maske. Das hat mich schon immer interessiert, also probierte ich aus dem Stande ein kurzes Interview. Zunächst gaben sich die Männer aggressiv, dann aber hatten sie wohl festgestellt, dass ich mich wahrhaft für ihr Tier interessierte. Und also ist es dann so, dass ein Polizeihund ganz jung schon aquiriert wird, um für seine Aufgabe ausgebildet zu werden. Diese ist, bei diesem Fall »beißen, wenn man es ihm sagt; außerdem schnüffelt er Sprengstoff«. Als Belohnung bekommt er dann einen Ball, um zu spielen. Und nicht etwa Leckerli, wie ich es angenommen hatte. Daraufhin fragte ich, ob das Tier, das währenddessen befehlsgemäß brav auf dem Pflaster lag mit gefalteten Pfoten, auch ein Privatleben habe. Der Hundeführer – das ist ein besoldeter Beruf offenbar – sagte: »Ja, selbstverständlich! Ich nehme ihn nach Feierabend mit nach Hause, dort lebt er. Wir gehen dann Gassi, ganz normal, wie mit allen anderen Hunden auch«.

Ich fragte auch noch dem großen weißen Hund, von dem meine Mutter uns erzählt hatte, der aus Anatolien stammt und extrem aggressiv sein soll. Die Profis lehnen den aber ab: das ist ein Hütehund, für den Dienst bei der Bundespolizei nicht zu gebrauchen.

Der andere hält sich eigener Aussage nach zwei Chihuahuas. Rein privat, zum Vergnügen.