11.1.

Gestern Abend habe ich prompt acht Euro an den Hanser-Verlag überwiesen, aber anscheinend hat Tilman Rammstedt bereits die erste seiner vielen Schreibblockaden, vor denen ich auf der Website gewarnt worden war. Zumindest ist jetzt 6 Uhr 30 und die erste Lieferung seines Romanes Morgen Mehr ist leider noch nicht eingetroffen. Ich will mich nicht beschweren, aber ich hätte so etwas halt gerne gleich morgens ins Bett geliefert, bitteschön. Wahrscheinlich kommt der Text dann erst so extremschriftstellermäßig gegen 11 oder 10, das hätte man doch anders vorbereiten können, also einfach erst am 12. Januar anfangen mit dem Verschicken zum Beispiel. Merkt doch keiner, wenn man den Schreibbeginn und die Veröffentlichung um einen Tag versetzt. Plus: Er hätte dann einen sogenannten Puffer in petto, falls es tatsächlich mal zur Vollblockade kommen sollte – was ich Tilman Rammstedt freilich und auf gar keinen Fall wünschen will. Aber als alter Redaktionshase kann ich die Methode Puffer sehr empfehlen. Die fragliche Seite im Internet finde ich auch nicht mehr, beziehungsweise erkennt mich die Seite nicht mehr wieder, das Geld ist aber schon abgebucht. Ich könnte jetzt an PayPal schreiben, aber es ist mir jetzt schon alles viel zu kompliziert. Wahrscheinlich liegt es vor allem bloß am mercury in fucking retrograde. Der Merkur hat schon gestern meinen gesamten Tag ruiniert. Ich habe eben mal nachgeschaut: Das geht jetzt noch 14 Tage weiter in dieser Art, dann kurze Pause und Ende April noch mal drei Wochen – ich würde ja gerne umziehen derweil, aber das müsste dann ja ein Umzug auf einen anderen Planeten werden, und was machte ich denn dort dann ganz allein!

Cyprien Galliard steht wohl auch gern früh auf, er hat mir gestern um diese Zeit einen Film geschickt, da steht er mitten auf der Churchill Avenue in Addis Ababa vor der Bank und dreht sich mit der Kamera einmal im Kreis. Mal abgesehen davon, dass ich froh bin, dass er das offenbar überlebt hat (denn nach einer halben Stunde kommen noch Fotos, und Tote mailen nicht), muss ich beinahe lachen, denn da läuft ganz weit hinten ein Äthiopier durchs Bild, den ich kenne, eine fürchterliche Nervensäge namens Afwork, das bedeutet Goldmund, und er hat noch immer die gleichen Klamotten an wie vor drei Jahren, als ich ihn eben dort zum letzten Mal gesehen. Er gehört zu dieser Liga fliegender Buchhändler, die dort vor dem National Theatre am Zaun auf Kundschaft warten, um ihr krauses Sortiment aus hauptsächlich Atlas Shrugged von Ayn Rand und dem äthiopischen Grundgesetz in amharischer Schrift oder dem überall präsenten Augenheilkunde für Anfänger feilzubieten. In dem Café dahinter gibt es ausgezeichnete Rührei-Sandwiches, die man unter dem alten Baum mit seiner Megakrone, die den gesamten Vorplatz des Nationaltheaters überdacht, ganz langsam zu sich nehmen kann. Ansonsten hat man ja nicht gerade viel zu tun in Ä. Internet gibt es ja nur einmal die Woche, von daher ginge das mit einem Tagebuch oder auch mit einem Roman wie Morgen Mehr nur ganz schlecht, oder halt anders: »In Acht Tagen Mehr«. Aber wie ich Cypriens Film entnehmen kann, ist dort, wo zu meiner Zeit noch das Café war, mittlerweile, wahrscheinlich vorgestern erst – der Einfluss des Merkurs reicht bis nach Äthiopien! –, eine der gefürchteten Großbaustellen entstanden und das Hochhaus dahinter ist auch noch nicht fertig. Mit dem Rohbau hatten die aber schon 2012 angefangen, gleich nach dem äthiopischen Silvester am 11. September. Von daher sehe ich schwarz (no pun intended) für das Café.

Auf einem der Fotos ist ein ausgestopfter Hund zu sehen, den habe ich genau so, aus genau diesem Winkel, selbst auch mal aufgenommen; der steht im Naturkundemuseum, das an und für sich schon die halbe Miete ist, falls man sich entschließen sollte, mal einfach so nach Äthiopien auszuwandern. So gesehen habe ich mein Jahr auf einem anderen Planeten schon hinter mir und der Film und die Bilder triggern Erinnerungen in 3D, dazu kommt eine olfaktorische Halluzination der heftigen Sorte, die riecht nach Holzkohlenfeuer, nach Aib – der vergorenen Butter –, und nach Kerosin.

Viel verpasst habe ich wohl nicht; weder dort, aber damals auch nicht hier, bis auf eben diese eine Ausgabe des Zeitmagazins mit den
wunderschönen Fotos von Ben Lamberty, an die gestern auf einem Blog erinnert wurde. Ich bin dann sofort los zum Arkonaplatz, denn manchmal
finde ich auf dem Flohmarkt auch vernünftige Sachen, also solche vor allem, die ich brauche, und ich war mir seltsamerweise sicher, ich könnte
dieses Zeitmagazin dort finden. Dem war aber nicht so. Dafür war der Typ mit den Froschpräparaten wieder da. Leider auch in Begleitung seiner unverschämten Preise. Eines war schon besonders: Da waren, beginnend vom Laich ganz oben, darunter die Kaulquappen, dann die Quappen mit Füßen und zuunterst dann erst Baby- und dann Maxifrosch, in eine grüne Flüssigkeit eingelegt. Von der Wiege bis zur Bahre sozusagen, der gesamte Planet Frosch. Ist ja angeblich ein Symbol für die Vulva, behauptet zumindest Mechthild von Magdeburg. Und der goldene Ball, den der Froschkönig aus dem Brunnen hervorzuholen hilft, sollte als Symbol der Klitoris gesehen werden. Darf man nicht zu lange darüber nachdenken, sonst lacht die Tante Psychedelika.

Ignorieren darf man es aber auch nicht einfach so. Von daher werde ich den Fall Frosch unbedingt mit der Muse diskutieren. Und zwar gleich heute Nacht. Und das ausführlich. Auch in der Telepathie gibt’s einen Mondscheintarif.

Der Text von Tilman Rammstedt ist ja dann hoffentlich kurz vorher auch da.