11.5.

In ihrem Standardwerk Tweet like a Pro gibt Jenna Jameson zwar so allerhand Hinweise, aber entweder bin ich halt zu dumm oder eben auch gerade nicht, jedenfalls funktioniert es leider nicht. Was ich für einen Hammertweet halte (zum Beispiel »Ein Haus aus Sülze, flankiert von 2 Gewürzgurken«, oder so ähnlich), kommt bei meinen sogenannten Followern nicht nur mäßig an, sondern: gar nicht. Das macht ja nix, eigentlich will ich dabei, beim Tweeten, bloß sichergehen, dass ich meine Gedanken nicht etwa in ein sogenanntes schwarzes Loch freilasse. Als Protestant ist mir jeglicher Gedanke an Verschwendung halt super unangenehm und in dem Fall ließe ich es lieber.

Na ja, aber wozu kenne ich denn den erfolgreichsten Twitterer aller Zeiten (eTaZ) Justin Andre, der unter @dickebuerste53 (auch das bereits vermutlich ein Fehler, nachtglockenhaft, dass ich mir selbst einen derart einfallslosen Handle habe »nicht einfallen lassen«, denn ich heiße ja hüben wie drüben exakt genau so wie ich selbst) einen neutronenbombenhaften Tweet nach dem anderen aus seinen Ärmeln schüttelt – und dass schon since 2014.

DiBue also, wie allein ich ihn nennen darf, riet mir bei meinem von nicht gerade von Verzweiflung grundierten, aber schon ein bisschen davon angefassten Anruf, es mit einem radikalen Programm der Kundenfreundlichkeit zu probieren. Ergo: Die Follower, die er, DiBue, eine Ära lang als »Follieschnollies« adressierte (ohne dokumentierten Widerspruch), »dort abholen, wo sie sich befinden, mental«. Awwww!!!, klingt das grässlich, meinem Vater *rollen sich die Fußnägel auf*, mir auch übrigens auch schon beinahe, aber trotzdem: »irgendwo«, irgendwie hatte mein junger Schreiberfreund recht.

Was also, so dachte ich nach, könnte die Menschen dort draußen noch interessieren? Birnenbrause? Dazu hatte Sarah Kuttner einen Tweet lanciert, besser gesagt, über deren Verfügbarkeit (also Birnenbrause), der geliked wurde, bis der Arzt, der doch nie kommt, kam. Oder etwas zum Hashtag »Schönen Sonntag«? Das schaute ich mir ja selbst einmal wöchentlich zum Honigbrot im Bett gerne an. Dennoch: Immerhin hatte ich ja noch einen Ruf zu verlieren. Als Vorzeigeintellektueller dürfte mein Megatweet nichts weniger sein als das: megainteressant und Mind-Boggling, Evening Post. Hatte ich doch Max Goldt höchstselbst neulich erst am Muttertag gesehen, wie er sich in hochgekrempelten Flanellhosen von einem noch tatteriger den Anschein machenden Mütterchen, vom Wannseebad kommend, über die Schnellstraße hinüber zur Tankstelle (Agip) hatte helfen lassen.

Gut, aber: Na ja, also dachte ich ein wenig, und schrieb daraufhin ein paar Versionen eines, wie ich glaubte: Monstertweets. DiBue allerdings meinte, höflich: »wk« (Twittersprech für »wohl kaum«). Thema, um das meine sprachlichen Verknappungsüberlegungen kreisten: Woher kommen eigentlich diese ganzen schönen Menschen, die sich im Mai allerortens zeigen wie Pilze – beziehungsweise: Wo waren sie vorher; wo »haben sie gesteckt«? Ein, wie ich zumindest fand, breitentaugliches Thema. Na ja. Wie »man« sich irren kann.

Tweetentwurf No 1:

»Wer weiß, wo all die schönen Menschen bis Mai überwintern – in einer Höhle bei Hameln, bei Flötenmusik?«

Tweetentwurf No 2:

»Wer weiß, wo all die schönen Menschen bis Mai überwintern – in einer Höhle bei Hameln, mit Flöten im Hintern?«

Tweetentwurf No 3:

»Höhlen bei Hameln, ist es etwa dort, wo die schönen Menschen überwintern? Kein Wort von der Flöte.«

Tweetentwurf No 4:

»Flötenmusik – Wenn schon Mai, dann denke ich an jenen Ort, wo schöne Menschen überwintern.«

Tweetentwurf No 5:

»Mai: Die schönen Menschen strömen aus ihrer Höhle bei Hameln. Und ich höre Flötenmusik.«

Tweetentwurf No 6:

»Flötenmusik begleitet den Auszug der schönen Menschen im Mai. Die Höhle harrt.«

Tweetentwurf No 7:

»Flöten, na gut, allein von deren Anblick wird mir winterlich. Bald schon, bald, werden die schönen Menschen nach Hameln geräumt.«

Tweetentwurf No 8:

»When in Hameln, do as the beautiful people do«

Tweetentwurf No 9:

»Wer schön ist, der muss leiden. Und das in Hameln (zu Flötenmusik).

Tweetentwurf No 10:

»Höhlen sind kein schöner Ort. Drum halte dich von Hameln fort. Und schallt es auch von noch so vielen Flöten — der Winter naht, will Schönheit töten.«

Tweetentwurf No 11:

»Im Griff des Winters sollte man, von der Natur her, Schönheit angetan, das Städtchen Hameln lieber meiden. Was dort für Musik gilt (insbesondere aus Flöten), wird andernorts den Frühling vom Winter grausam scheiden.«

Tweetentwurf No 12:

»Wer noch nie, so wie ich, die Dunkelheit der Hamelner Grotte erlitten, der kennt sie nicht, des Flöters Sitten, kaum dass des Winters Kältesturz die Schönheit bannt, des Lichtes kurz, und entführet uns des Anblicks Reiz — fahr‘ nie nach Hameln, im Oktober, my dear, weil dort, final, verliert die world ihren Reiz.«

(Abb. Emojis »Squared Okay«, »Squared Cool«, »Checked Ballot Box«)