11.9.2020

Frühstück auf dem Rasthof Hegau, dem letzten vor der Schweizer Grenze. Die Brezel schmeckte mir hier so gut wie nirgendwo anders zuvor — lag wahrscheinlich am Ausblick, der ging zunächst, gesäumt von vulkanischen Spitzen, auf Ballenberg, Napoleonsberg und ein sogenanntes Franzosenwäldle; dahinter lagen die Churfirsten und die Glarner Alpen. Für mich stark fühlbar in ihrer Präsenz, obzwar verborgen im Dunst.
Später in Allensbach am Bodensee: ein längerer, auch tiefgründelnder Vortrag eines Chemikers für Naturstoffe, währenddessen er sich behend mit seinen Produkten eincremte und deren Wirksamkeit an sich selbst demonstrierte, während im darübergelegenen Stockwerk seine Frau am Flügel saß und Beethoven durch die Zimmerdecke auf uns herunter brausen ließ. Meine Augen konnte ich indes kaum abwenden von der eigenwilligen Dekoration in seiner Praxis‘ Hintergrund, wo es die seltsamsten Acrylgemälde dankbarer Patientinnen gab, die Jesus zeigten (in Schwarzweiß) , aber auch Hildegard von Bingen (dito) mit eisblauem Blick und immer wieder, ebenfalls in S/W, einen Walter-Ulbricht-artigen Greis: Wie dem ein merkwürdig leer wirkender Stein überreicht wird. Außerdem gab es noch einen ausgestopften Dachs. Der Chemiker selbst war 81 Jahre alt.
Als wir uns wiedersahen, drückte mir meine Mutter zwei Kastanien in die Hand; heimlich. Weil das Glück bringen soll.